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818

Genug grvsispurig ist er,
Brutal und frech dabei,

Herr Cvnstaus, der Minister
Von Frankreichs Polizei.

Zwar soll er sein der Lenker
Von einem freien Staat,

Doch ist er nur der Henker,
Der übet Henkersthat.

Statt froh und stolz zu wahren
Der Völker heilig Recht,
Verdingt er sich dem Zaren
Vergnüglich heut als Knecht!

• Herr Consta ns.

Den Gipfelpunkt der Wonne
Erklimmt er, wie er meint,
Wenn ihn die Gnsdenfonnr
Von „Väterchen" bescheint.

Er glaubt, dah er vom Zivergv
Znm Riesen auf sich schwang.
Wenn er als Rusienfchvrgv
Treibt Nihilistenfang.

Hetz' du auf Heimatlose
Nur drin Spronenpack,

Nenn' dich dafür: der Grohe!
Du westlicher Kosack!

Die Republik ivird schütteln
Von ihrem Nacken dich,

Von allen deinen Bütteln
Wird sie befreien sich.

Wer so nrit dreistem Muthe
Die Freiheit attaqnirt
Und nrit des Zaren Knute
Dir Republik regiert,

Der kann nicht lange Haufen,
Zu Ende geht fein Witz,

Und baldigst liegt er drantzen,
Gestürzt von feinem Sitz.

Der kommt zu grotzen Geistern | Ihn wird der Spott bemeiflern

Nicht in das Pantheon, ! Der ganzen Nation!

Berlin, Anfang Juli.

Lieber Jacob!

Wat wir so de hohe Saison nennen, det nennen de Zeitungsschreiber
de Saurejurlenzeit. Wie se eijentlich zu die Bezeichnung jelommcn sind,
det weeß ick wirklich nich, lieber Jacob, un wenn De mir alle Taschen
visetirst. Denn de saure Jurke is eijentlich jar keene schlechte Erfindung,
un wer det etwa behauptet, der hat so'n Labsal sich noch nie det Morjens
inverlcibt, wenn er Abends vorher sich een halbet Dutzend Schoppen mehr
zujezogcn hatte, als wie er von Rechtswejen vertrajen konnte.

Hebe können wir uns ohne alle jeistreichen Jetränke behelfen, un uns
janz nnisonst in eene freidije Exstase versetzen, wenn wir uns an die Bor-
jänge berauschen, die in unser öffentlichct Leben hin un wieder Platz jreifcn.

Da is nu det Erste, det wir Heljoland kriejen — wenn bet cngelsche
Parlament nämlich nischt dajcjen inzuwenden hat. Mir is det im Jrunde
jenommcn janz Pomade, indem ick in'n Jeringsten nich zu de Länderjierijen
jeheere. Ick weeß blos noch ans meine Schuljungcnszeit her, det Heljoland
’n klecner rother Klex vor de Elbmindung war un det et de Engländer je-
heerte. De Engländer mußte ick damals hassen, warum weeß ick nich mehr.
Ick habe aber eenen Studienjenossen jehabt — nämlich Eenen, mit den ick
immer zusammen hinter de Schule jejangcn bin — un der in Folje dessen
ieber 'ne immense Jclehrsamkeit versiegte; der hat mir von Heljoland putzije
Dinge erzählt.

Sechste, Jacob, wenn hier so in unsere Jejend 'mal een Kassierer mit

de Dochter von seinen Prinzipal durchbrannte, denn jing er zuerst nach
Heljoland, wo det eugelsche Jesetz herrschte, un wo er sich denn zuerst in
aller Eile mit die Durchjebrannte uu die Dausendmarkscheiue, die se den
Ollen jeklaut hatte, verheirathete. Die Spekulation war inerschtendeehls nich
so janz dämlich, indem der Olle natierlich jejen seinen eijeneu Schwiejersohn
nich als jejen eenen Defraudanten vorjehcn konnte, weil sich de Bourgeoisie
vor nischt mehr firchtet als vor eeneil sojenaunten Schkandal in de cijene Familie.

Doch um uff den besagten Hammel, nämlich nfs Heljoland, zurllckzu-
kommcn, so können die Jnjebornen dort nich Biere lang fahren. „Warum
nich, Naucke?" wirst De fragen. Sechste, Jacob, det hängt so zusammen:
erstens haben se uff Heljoland jar keene Ferdczncht nich uu denn is de
Insel nich so jroß, um mit Biere lang umwenden zu können. Nu det is
nu die jrößte Errungenschaft unserer Kolonialpolitikl Wat sagst De zu den
Schluck aus de Pulle?

Ob ooch noch ferner uff Heljoland alle unjlicklichen Brautpaare so mir
nichts dir nichts jetraut werden können, kann ick Dir nich sajen. Ick war
davor, denn inir jammert et immer, wenn ick mir zwee Menschen denken
muß, die sich jerne haben inechten, aber sich nich kriejen können. Bci't
Heirathen sollte et bei't engelsche Jesetz bleiben, un Knörcke von de Frei-
sinnijcn soll nach Heljoland jehen un dort Standesbeamter werden.

Na, wir missen et ja nu abwarten, da helft weiter nischt. Vielleicht
kriegt Heljoland eenen besonderen Abjeordnetcn vor den Reichsdag, un da
kann der ja denn vor sorjeu, det die Sache in Ordnung jebracht ivird.

Das Bismarck-Denkmal.

Zeitgenössische Novellcltc von A. TitNS.

ohl nirgends in Dcnlschland hat der Rücktritt des Reichs-
kanzlers Fürsten von Bismarck so viel Trauer und Betrübniß
verursacht, als in dem guten Städtlcin Klein-Hainmelshausen.
Die braven Bürger sind lauter begeisterte Bismarck-Verehrer
und dulden überhaupt keine andere politische Gesinnung. Als einmal sich
ein fremder Schneidermeister in dem Städtlein ansiedelle, der einige rcichs-
feindliche Worte fallen ließ, wie daß Fürst Bismarck sich auch einmal irren
könne, da ließ Niemand auch nur noch eine alte Hose bei ihm flicken und
der Störenfried mußte Klein-Hammelshausen alsbald wieder verlassen. Daß
die braven Bürger so patriotisch dachten, >var hauptsächlich das Verdienst des
regierenden Bürgermeisters, welcher wieder von seiner Frau regiert wurde,
so daß man dieser Dame das eigentliche Verdienst um die vortreffliche Ge-
sinnung der Klein-Hammclshauser Einwohnerschaft zuschrciben mußte.

Der Herr Bürgermeister pflegte im goldenen Bären seinen Abendschoppen
zu trinken. Dorlhüt kanicn auch die Fremden und das war dem gestrengen
Stadloberhaupt eben recht, denn so konnte er Manches hören, was draußen
in der Welt vorging, und konnte cS seiner neugierigen Ehehälfte wieder
erzählen. Klein-Hammelshauseu liegt nämlich weit ab vom großen Verkehr
und hat auch keine Eisenbahn.

Es mögen einige Wochen her sein, da traf der Herr Bürgermeister im
goldenen Bären Abends einen Fremden, der ihn ganz besonders anzog.

Bleiches interessantes Antlitz, feurige dunkle Augen, glänzender schwarzer
Schnurrbart, elegante Gestalt und gewinnende Manieren — so stellte sich
der Fremde dar. Er hatte jenes träumerische Wesen, da« viele Frauen
anzieht. Die Kellnerin machte sich auch unaufhörlich um ihn zu schaffen,
was wiederum die Wirthin ärgerlich machte.

Bald kam mau in ein Gespräch; der Fremde stellte sich dem Stadt-
gewaltigen als eilt reisender Maler vor, der in einer stillen Gegend von
den Anstrengungen seines Berufs ausruhen wolle, die ihn ganz nervös
gemacht.

„Und dann verfolgen mich meine Bewunderer überall, ich darf meinen
Namen nicht nennen, sonst kommen sic auch hierher. Ich nenne mich einfach
Müller", sagte er

„Ah", meinte der Bürgermeister, der keinem Fremden traute, so lange
er nickt wußte, daß er auch Bismarckverehrer sei. Kam ein Anderer, so

wurde er bald aus der Gesellschaft der Staurmgäste hinausgcgrault. „Aber
ich bin der Bürgermeister und mir können Sie sich anvertraucn."

„Wirklich?" sagte der Fremde. „Nun, so mögen Sie cs wissen; ich
bin der Maler Lcnbach, der den Fürsten Bismarck portraitirt hat."

Der Bürgermeister sprang auf und verbeugte sich in höchster Verehrung
und Bewunderung.

„Dank dem Schicksal, das Sie zu uns geführt. Sie finden Freunde;
Sie haben den größten Mann aller Zeiten in der Nähe gesehen und haben
seine Gnade und Huld genossen."

„Ja", meinte der Maler andächtig, „es ist für mich eine große Ehre;
er ist das größte Genie der Weltgeschichte."

„Aber das Volk ist undankbar", meinte der Bürgermeister. „Es hat
nicht die Theilnahme gezeigt, die sich gebührte, als der große Mann ging."

Der Maler seufzte.

„Sie haben Recht", sagte er. „Mau müßte ihm ein Denkmal setzen,
das mit dem Haupt au den Himmel stößt."

„So hoch!" meinte der Bürgermeister, dem bei diesem kühnen Bild
ganz schwindelig wurde. „Aber mau will ihm doch eines setzen, das wird
gewiß auch schön. Man beginnt ja eben die Sammlungen."

„Aber es geht nichts ein", sagte der Maler. „Diese Deutschen sind
wirklich wenig erkenntlich gegen den Mann, der ihnen das neue Reich ge-
schaffen hat."

„Schande und Schmach!" kreischte der Bürgermeister.

„Man müßte ein Beispiel der Opfcrwilligkeit geben, um die Säumigen
auzuspornen", sprach der Maler.

Der Bürgermeister horchte aus, seine Augen leuchteten.

„In unserer Stadt", sprach er, „jawohl, unsere braven Bürger werden
Alles thnu."

„Ob sie aber so opferwillig sind, wie ich cs wünsche?" sprach der
Künstler.

„Und wie wünschen Sie"

„Nun", fuhr der Künstler lort und seine Augen strahlten in Begeisterung,
„ich denke an die Begeisterung des Jahres 1813."

„Ah!"

„Auch damals galt es Alles zu opfern für das Vaterland; wer nicht
ins Feld ziehen konnte, der gab Geld und Gut. Die Frauen opferten ihren
Schmuck, und die keinen solchen hatten, schnitten sich ihr langes Haar ab
und gaben den Erlös dem Vaterland."

„Ja" meinte der Bürgermeister, „das war eine große, eine schöne Zeit!"
 
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