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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0127

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124 BESPRECHUNGEN.

kunstforschung wohl einige Erweiterungen des Lehrganges wünschenswert machen.
Vorlagen und vereinfachte Vorbilder der Lebensformen sind nicht so unbedingt zu
verwerfen — auch Hartlaub scheint sie nicht ganz ausschließen zu wollen —, wie es
seither geschehen ist. An ihnen schärft sich die Auffassung der flächenhaften Er-
scheinung leichter als an der Wirklichkeit und macht das Anschauungsvermögen für
diese dadurch aufnahmefähiger, wenn zugleich der Blick für sie geöffnet wird. Auf
der anderen Seite soll der erwachende Sinn für räumliche Gestaltung zunächst durch
Modellieren, Papparbeiten und dergleichen Handarbeit gefördert werden, wie der Ver-
fasser anrät, bevor die Belehrung über Perspektive und Schattengebung beginnt. Mir
scheint dabei wichtig, daß bei der plastischen Betätigung, der Hartlaub eine anregende
Anmerkung widmet, auch die Umsetzung einer Bildvorlage in die volle Körperlich-
keit des Bildwerks gefordert werden sollte, die eine Umkehrung des Vorstellungs-
ablaufs des zeichnerischen Verfahrens mit sich bringt. Ich hoffe, diesen Gedanken
und manche andere hier gegebene Andeutung bald eingehender begründen zu können.
Sie entspringt der Erkenntnis, die wir der von Hartlaub leider unterschätzten psycho-
logischen Kinderkunstforschung über die allgemeine anschauliche Vorstellungsbildung
verdanken.

Den theoretischen Ausführungen des Verfassers sind als dankenswerter An-
hang Erläuterungen zu den Tafeln beigegeben, die eine Auslese der bedeutsamsten
auf der Mannheimer Ausstellung vereinigten Leistungen von kindlichen Zeichnern
bieten. Sie enthalten manche feine Bemerkung zur Beurteilung jugendlichen Kunst-
schaffens. War der letzte vor einem guten Jahrzehnt erschienene Beitrag zur Kunst-
wissenschaft auf diesem Gebiete von Luise Potpeschnigg in Wien vorwiegend den
entwicklungsgeschichtlichen Fragen gewidmet, so sind durch Hartlaub unstreitig wert-
volle Aufschlüsse über die ästhetische Seite der Kinderkunst gewonnen und in Mann-
heim zur Anschauung gebracht worden. Den Genius im Kinde wird die Wissen-
schaft doch vorsichtigerweise nur als Metapher anerkennen können.

Berlin. O. Wulff.

Wilhelm Fcaenger, De r Ba uern-Bru egel und das deutsche Sprich-
wort. Zürich, Eugen Rentsch.

Das mit 49 Abbildungen nach Bildern des Meisters geschmückte Buch, ein neuer
Band der von Fraenger herausgegebenen komischen Bibliothek, sollte die Kunst-
historiker darauf hinlenken, daß eine rein philosophische und rein formalästhetische
Kunstbetrachtung auf Abwege führen kann. Kunst, Wissenschaft und Literatur haben
sich in allen Perioden parallel entwickelt und sind durch den allgemeinen Zeitgeist
verbunden. Das wird in der modernen Kunst nicht immer deutlich, weil der Inhalt
der Kunst vor der Formgestaltung in den Hintergrund tritt. Die Zeitverbundenheit
auch der älteren Kunst übersieht die rein philosophische Richtung der neueren
deutschen Kunstwissenschaft. In wie großem Maße die bildende Kunst nur eine
Ausdrucksform der allgemeinen Zeitstimmung ist, lehrt Fraengers Bruegelmonographie.
Darin scheint mir der besondere Wert des merkwürdigen Buches zu liegen. Niemand
wird diese Schrift mit großer Armbewegung beiseite schieben können, nur weil sie
sich nicht innerhalb des Rahmens bewegt, den die heutige Kunstforschung sich ge-
steckt hat. Dazu ist die Arbeit zu tief fundiert, zu substanzreich, zu ernst und sachlich
in der Gedankenführung. Gerade durch ihre Vorzüge entfaltet sie der Kunstgeschichte
neue Ausblicke und Möglichkeiten und zieht die Methodik auf ein gegenwärtig wenig
beackertes Feld. Aus der vergleichenden Betrachtung von Kunst und Literatur werden
sich noch manche Anregungen holen lassen, die beiden Disziplinen nützlich sein
 
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