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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Heilbronn, Magda: Über eine architektonische Gesetzlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0176

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ÜBER EINE ARCHITEKTONISCHE GESETZLICHKEIT. 173

andere gegenüber, die ungewölbten Bauwerke Ägyptens, Asiens, Grie-
chenlands umfassend, bei deren Betrachtung der Begriff des Raum-
bildens vielleicht nicht erdacht worden wäre. Aber auch im frühchrist-
lichen und romanischen Stil gibt es Formen, zu denen er nicht stim-
men will und die sich der Flachdeckgruppe stilistisch anfügen lassen.

Die Kreuzganganlage mittelalterlicher Klosterbauten, der nach oben
offene Hof, die zum Hof geöffnete Umgangshalle, ist eine architekto-
nische Form, die als Ganzes im Säulenhof ägyptischer Tempel (vgl. das
Re-Heiligtum bei Abusir, rekonstr. v. Borchardt) und bezüglich der
Halle im antiken Peripteros ihre Parallelen hat. Hier ist nicht, wie in
den Gewölbebauten, ein rings umschlossener Raum gebildet. Aber es
wird gerade bei der Anstrengung, hier den Raum zu suchen, deutlich,
daß man an dem Wichtigsten vorbeisieht: an den im Bau verwendeten
Körpern, an Mauern und Säulen. Sie sind der positive, formtragende
Teil der Architektur; der Raum, das luftgefüllte Gebiet, ist der unge-
formte. Nicht in der Körperform der zum Bauwerk gefügten Teile
liegt das architektonische Wesen — sie ist Werk der Plastik —, son-
dern die besondere Art der Zusammenfügung von Körpern ist archi-
tektonisch und kann von der Plastik nicht mehr geleistet werden.

Leichter noch als bei dem geformten Raum läßt sich der Anteil
der Plastik an der Bildung des äußeren Baukörpers erkennen. Sein
Name bedeutet ein Eingeständnis des Sachverhalts. Der den Innen-
raum enthaltende äußere Körper des Baus trägt neben architektonischen
starke plastische Bildungszüge. Schon die Pyramide Ägyptens ist im
strengen architektonischen Sinne kein Bauwerk, sondern erfüllt als eine
Plastik riesigen Maßes das Gesetz der plastischen Form. Sie ist ein
künstlerisch gebildeter Körper, im Gefüge des Bauwerks verwandt,
eingeordnet in den architektonischen Plan der großen Grabanlagen des
Alten Reichs; isoliert gestellt eine Plastik, in der Gesamtanlage des
Heiligtums ein architektonisches Glied. Die Grabkammer im Innern
vermag ihren plastischen Charakter so wenig in den architektonischen
umzuwandeln, wie das Reliquiengehäuse im Körper einer Statue des
Mittelalters ihre rein plastische Art zerstört.

Im streng künstlerischen Sinne sind alle Bauten, welche einen ge-
schlossenen Körper bilden und seine Oberflächen nach der Weise des
Reliefs gestalten, nicht mehr rein architektonische, sondern halbplasti-
sche Werke. Ihr plastischer Charakter wächst mit der Unterdrückung
der Dispersion in den Raum und der Begünstigung der Massenkon-
zentration in einen einzigen festumrissenen Block. Neben die Pyra-
mide als Grenzfall rückt der gerundete Körper, also das Grabmal der
Cäcilia Metella an der Via Appia oder der Hadrianische Grabbau,
denen sich das Grabmal Theoderichs des Großen in Ravenna an-
 
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