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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Heilbronn, Magda: Über eine architektonische Gesetzlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0177

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174 MAGDA HEILBRONN.

schließt. Mit diesem Denkmal eröffnet sich der Blick auf seine histo-
rischen und künstlerischen Vorfahren, die oberirdischen Grabbauten
Syriens und Kleinasiens1). Abgeleitet von solchen die künstlerischen
Grenzen zwischen Plastik und Bau verwischenden Werken entstanden
aus der Zusammenordnung von kultlich-zentralisierter Bestimmung mit
körperlich und innenräumlich zentralisierender Bauweise die Grabes-
und Taufkirchen der christlichen Zeit in den Grenzländern des Mittel-
meeres und in allen von ihren starken religiösen und kulturellen Aus-
strahlungen eroberten Gebieten.

Wenn die Lagerung der Masse um ein Zentrum oder eine zen-
trale Höhenachse wegen der geschlossenen Körperlichkeit des ent-
stehenden Gebildes immer einen plastischen Bildungsfaktor enthält, so
ist die Ordnung von Körpern und ihre Zusammenfügung nach einer
dominierenden Tiefenachse ein wesentlich architektonisches Merkmal,
das in der Raumvorstellung wurzelt. Die Tiefe ist die sinnliche Bahn
in den Raum; sehend, tastend, bewegend sammelt der Mensch die
Erfahrungen des Raumes in ihrem Verfolg. Der Raumbegriff, die ge-
dankliche Form, entstand aus der Wiederholung der Tiefenerfahrung
nach allen Seiten. Wohl kann der Begriff das sinnlich in die Tiefe
Gewandte zur Allseitigkeit führen, doch ist der Begriff des Raumes
nicht mehr sinnlichem Sehen zugänglich, sondern gedanklicher Kon-
zeption. Aber die Kunst begreift in der Sinnlichkeit und darum richtet
sich für sie der Raum in die Ferne, und die räumliche Fügung der
Architektur herrscht in die Tiefe zumeist. Nicht dadurch sind Zentral-
und Langbau geschieden, daß jener nur eine andere der drei gleich-
wertigen Koordinaten zur Hauptachse macht als dieser: sondern für
die Architektur sind die im begrifflichen Denken gleichwertigen Achsen
verschiedenwertig, und der Langbau wählt von beiden die wesentlich
architektonische zur Hauptachse, der Zentralbau aber bringt die für
die Plastik wichtigste Koordinate zur Dominanz2).

Wenn eine Vielheit von Körpern, räumlich gefügt, als geformtes
raumdurchsetzendes Werk in den Luftraum gestellt wird, der ihm die
Quellen der Form, Raum, Masse und Licht, noch ungeteilt und un-
geformt in einer vorschöpferischen Einheit bietet, so hat der Akt des
Schaffens die Sonderung und Begrenzung von Teilen gegen das Ganze

') Vgl. O. Wulff, Altchristliche und byzantinische Kunst. Handb. d. Kunst-
wissenschaften S. 29.

s) Vgl. G. Dehio, Geschichte der deutschen Kunst, 1. Bd., Berlin 1919, S. 25.
»Der Zentralbau also richtungslos in allseitiger Symmetrie auf einen Punkt, die Basi-
lika symmetrisch auf eine richtunggebende Linie bezogen.« Die Symmetrie des
Zentralbaus bezieht sich nicht auf einen Punkt, sondern auf eine Achse. Sie kann
darum auch nicht allseitig sein.
 
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