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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Kainz, Friedrich: Zur dichterischen Sprachgestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0208

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ZUR DICHTERISCHEN SPRACHGESTALTUNG. 205

eine figürliche Redensart, womit man gewöhnlich mehr sagt, als man
zu sagen willens ist.« Dieser immanente Steigerungscharakter ist nicht
bei allen Figuren und Tropen in gleichem Maß vorhanden. Manche
bieten nur die Möglichkeit einer Steigerung (z.B. Vergleich, Meta-
pher), andere wiederum schließen eine Nötigung dazu in sich, sind
selbst schon Produkte gesteigerter Sprachgestaltung (Häufung, Hyper-
bel, Wiederholung).

Zu den einfachsten Figuren gehören die der Wiederholung.
Sie sind zugleich die einfachsten sprachlichen Steigerungsmittel. Durch
mehrmaliges Nebeneinanderstellen desselben Begriffes wird der Ein-
druck, den er erregen soll, erhöht: z. B. ein tiefer, tiefer Wald; ein
hoher, hoher Berg. Gute Beispiele bei Weise, a.a.O. S. 41. Hier ist
zu scheiden zwischen einfacher und variierter Wiederholung
(unveränderter und veränderter Juxtaposition): lang, lang ist's her und:
naß und nässer wird's im Saal usw. — Das Prinzip der Eindrucks-
steigerung durch Wiederholung äußert sich ferner in folgenden Figuren:
in der verstärkenden syntaktischen Fügung, wo ein Begriff im Gen.
Plur. wiederholt wird (König der Könige, Lied der Lieder), der Figura
etymologica und schließlich auch — obwohl hier nicht dieselben
Wortformen der Begriffe, sondern synonyme Ausdrücke zur Wieder-
holung des Begriffsinhalts herangezogen werden — im Parallelismus
membrorum und im Hendiadyoin. Am deutlichsten wird das
Prinzip aber in den stilistischen Figuren der Häufung (Epizeuxis
und Perissologie).

Epizeuxis: Wiederholung eines Wortes oder Wortkomplexes
in engem Aneinanderschluß. Durch wiederholte Vorführung der näm-
lichen Klangkomplexe soll ein stimmungsmäßiger Hinweis auf die
Wichtigkeit einer Vorstellung gegeben werden. Gute Beispiele finden
sich in Klingers x) dramatischen Jugendwerken. Zu deren Stil bemerkt
der Herausgeber Berendt, daß die wilde Art des Erlebens auch in der
Sprache zum Ausdruck komme, weniger in den Kraftbildern, in der
Wahl der Worte, die größtenteils Gemeingut aller Geniedichter sind,
als in der besonderen Art seiner Dialogführung. »Da tobt und brüllt
und kocht es. Immer wieder wird ein Gedanke aufgenommen und
unverändert wiederholt, in eintöniger Beharrlichkeit immer wieder
herausgestoßen.« Z. B. Sturm und Drang III, 9: »Wild: Laß sie kom-
men! ich seh dich wieder. Morgen! Ja morgen! —------ich seh dich

wieder. Ich seh sie wieder! seh dich wieder, wie jetzt! So fest wie
das Band, womit du umwunden bist! ich seh sie wieder!« Eine be-

') F. M. Klingers dramat. Jugendwerke, herausgegeb. von Berendt u. Wolff
Leipzig 1912, I, XXI f, XXX.
 
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