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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Černaj, Emil: Zur Psychologie landläufiger Sprachästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0348

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ZUR PSYCHOLOGIE LANDLÄUFIGER SPRACHÄSTHETIK. 345

nisten Johannes Butzbach aus dem 15. Jahrhundert, der sich in seinem
Wanderbüchlein folgende Sätze leistet: »Um dir aber einen Begriff
von diesem böhmischen Kauderwelsch zu geben, habe ich es für zweck-
mäßig gehalten, nachstehend das Gebet des Herrn . . . beizufügen . ..
Wenn du nun das folgende liest, so sollst du dich ja hüten, darüber
zu lachen, von wegen der Ehrfurcht, die wir der Wahrheit, trete sie
nun in dieser oder in jener sprachlichen Form vor uns hin, nach dem
Evangelium schuldig sind . . . Das, ja das ist die barbarische Sprache
der überbarbarischen Böhmen, in welcher, wie wir vermuten, in dem
oben genannten Kloster an den Wänden des Kreuzganges die ganze
Bibel geschrieben stand.« Und doch war es dieselbe Sprache, in der
gleichzeitig Johannes Hus die ganze Inbrunst seines gottbegeisterten
Herzens ausgegossen hat, doch war sie es allein, welche dem großen
Comenius zum ersten kindlichen Ausdruck seiner Seele diente, um
von ihm bis an das Ende dieser Pilgerschaft durch das »Labyrinth
der Welt« geliebt und betreut zu werden.

Wir sprechen hier von den Vorurteilen der großen Menge und
der nicht besser beratenen Weisheit eines mäßigen Talents. Es ist
also selbstverständlich und braucht kaum sonderlich hervorgehoben
zu werden, daß es auch auf deutscher Seite, sowohl in alter als auch
in neuerer Zeit, nicht an Geistern gefehlt hat, welche den Vorzügen
der böhmischen Sprache ihre volle Anerkennung gezollt haben. Er-
wähnt sei nur der bekannte Johann Christoph Adelung, der in seiner
Vorrede zu K. I. Thams Wörterbuch schon im Jahre 1799 die wärmsten
Worte der Hochschätzung für die Sprache des damals erst neu er-
wachenden tschechischen Volkes fand.

So sehr nun ein solcher Vorbehalt auch für alle anderen Fälle
gilt, so sei doch immerhin darauf hingewiesen, daß auch die tsche-
chische Nation in den breiteren Schichten trotz der üblen Erfahrungen
am eigenen Leibe von der gleichen Blindheit geschlagen ist, wenn es
gilt, die Sprache eines bösen Nachbarn einer ästhetischen Würdigung
zu unterziehen. Zwar ist es aus dem im obigen erwähnten Grunde
nicht gerade die deutsche Sprache, die in einer abfälligen Weise
beurteilt wird. Dafür aber kann man sehen, daß selbst die Gebildeten
oft genug mit der größten Geringschätzung von der magyarischen
Sprache reden, sie, ähnlich wie's ein Johannes Butzbach mit der ihrigen
getan, als ein wüstes Kauderwelsch verlachen und geradezu als bar-
barisch zu bezeichnen pflegen. Bedenkt man dem gegenüber, wie
gerade der Ungar seine Sprache liebt, wie er von ihrer Schönheit
überzeugt ist und sie am liebsten in die vorderste Reihe kultureller
Werte stellen möchte, so muß man schier lachen über eine solche
babylonische Verwirrung.
 
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