Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0382

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN. 37g

zu lösen war, tritt der Schaffensprozeß der griechischen Kunst ins helle Licht. Sie
in ihrem Ringen und Finden immer neuer Lösungen an Hand des Reliefs zu zeigen,
ist Rodenwaldts Ziel. Eine souveräne Beherrschung des Materials, die immer das
Treffende auswählt, ein Übersehen der Kunst anderer Zeiten, die durch Vergleich
und Kontrastierung die Eigenart der griechischen um so klarer erkennen läßt, ein
feines künstlerisches Empfinden, das aus dem einzelnen Werk den wesentlichen Ge-
halt erfaßt; schließlich die Fähigkeit, ernste Wissenschaft in gefällige Form zu
gießen, sind die erfüllten Voraussetzungen, die das Buch das gesetzte Ziel erreichen
lassen.

Zweckmäßig nimmt Rodenwaldt nicht zum Einteilungsprinzip die formale Ent-
wicklung im engsten Sinne, also etwa Verhältnis von Figur zum Hintergrund, zum
Raum, sondern gibt eine sachliche Einteilung nach den verschiedenen Arten der
Verwendung, als Stele, Metope, Fries usw. Es ist erstaunlich, welche Fülle von
neuen Erkenntnissen durch dieses Anpacken der Aufgabe von der richtigen Seite
herausspringt. Ich will daher die einzelnen Kapitel unter Aufführung des Wichtig-
sten durchgehen. Die erste Frage lautet, woher kommt die Konvention, daß griechi-
sche Relieffiguren durchgängig im Profil gegeben werden. Sie stammt aus dem
Orient. Dieses Aufsuchen der Verbindungslinien mit dem Orient ist auch ein Ver-
dienst des Buches; aber Rodenwaldt setzt auch das Verhältnis der griechischen
Kunst zur orientalischen gleich ins rechte Licht: es war kein Lehrverhältnis im üb-
lichen Sinne, der Grieche nahm sich die Vorbilder und schon die ersten Werke
gingen über das Lehrverhällnis hinaus, indem er ihnen einen Geist einzuflößen ver-
mochte, den wir als den eigentlich abendländischen empfinden. Der tiefere Grund
für die Anwendung der Profilansicht ist das Empfinden für den Unterschied der
wirklichen Körperlichkeit der Statue und der Abstraktion der Malerei und des Reliefs.
In der halbkörperlichen Wiedergabe des Reliefs erzählte man von dem Gott oder
dem Toten, gab ihn in Handlung mit anderen Figuren, der realen Körperlichkeit
der Götterstatue trat man anbetend gegenüber; nie hat ein griechisches Relief kul-
tische Verehrung empfangen.

Man hat verschiedentlich angenommen, daß das griechische Relief aus der Zeich-
nung entstanden sei, und sich Zeichnung und Relief in der griechischen Kunst näher
stünden als in der neueren. Richtig ist, daß das Relief mit der griechischen Malerei
in der Komposition und im Motivischen zusammengeht, aber diese arbeitet mit der
Linie und Silhouette, das Relief dagegen mit Licht und Schatten, die die Rundung
der Glieder fühlen lassen; die von der Silhouette eingerahmten Teile wirken nicht
als Flächen, sondern als bewegte plastische Gebilde. Im Stil gehört das griechi-
sche Relief zur Plastik. Durch das Arbeiten von der Vorderfläche aus, auf der vor-
her eine Skizze in Umrißzeichnung gegeben wird, in die Tiefe hinein, bleibt die
Vorderfläche, in der die höchsten Teile der Figuren zu liegen kommen, erhalten
und gibt dem Relief die dekorative Geschlossenheit, derer es bei seiner Bedeutung
als Schmuck einer tektonischen Fläche bedarf. Denn immer ist das Relief ein
dienendes Glied, selbst bei der archaischen Grabstele ist die Stele als solche die
Hauptsache, wäre allein für sich schon Monument genug. Nur als es der Kunst
nicht mehr genügte, eine ruhige aufrechte Figur zu geben, die allein in die schlanke
Stelenform paßte, sondern Bewegung verlangte, gab man diese Form auf, denn
keine lähmende Tradition hielt überlebte Formen fest.

Die drei nächsten Kapitel behandeln die Tempelreliefs: Metope, Fries, Giebel-
schmuck. Sie alle sollten zu Ehren der Gottheit aus der Götter- und Heldensage
erzählen, und die Aufgabe war nun, in den gegebenen Bildraum hinein und zwar
so, daß dieser in Harmonie mit dem größeren Ganzen blieb, die Darstellung zu
 
Annotationen