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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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382 BESPRECHUNGEN.

schauliche, wenn auch oft wenig gut abgebildete, Kunstwerk darlegen. Es ist da
die Rede von der Linie, von den Flächen, von Masse und Raum, vom Licht und von
der Farbe, von den Werkstoffen, dem Zweck und von der Umgebung. Das sind
nur Beispiele. Es wird aus ihnen ersichtlich, daß es sich nicht um einen Weg zum
Kunstverständnis schlechthin handelt, sondern hauptsächlich, ja fast ausschließlich
um Architektur. Bei einer Neuauflage sollte das doch im Untertitel wenigstens
(»Eine Schönheitslehre nach der Anschauung des Künstlers«) zum Ausdruck kommen.
Daß der Verfasser bei seinen Darlegungen nicht von dem abgeleiteten Gebiet der
»Kunstwissenschaft« (S. VI) ausgeht, sondern von dem, was Wölfflin die »eigentlich
künstlerischen Gesichtspunkte« nennt, von dem, »was Künstler über Kunst denken«,
besser vielleicht: von den Formen, unter denen ihnen Kunst erscheint, das ist ent-
schieden gutzuheißen, zumal noch eine Darstellung »unter einheitlichem Gesichts-
punkt« versucht wurde. Eine alles Einzelne erfassende und durchdringende Ordnung
ist ja bei dem unerschöpflichen Reichtum und den unübersehbaren Möglichkeiten
lebendiger Verbindungen der Kunstmittel nicht möglich. Die Zerlegung und Ord-
nung, die Stiehl unternommen, hat auf die Vorführung der lebendigen einheitlichen
Wirkung des großen Kunstwerkes verzichten müssen. Gewiß ist er bei der Darle-
gung und Auseinanderlegung der Mittel nicht stehen geblieben. Aber er konnte
doch naturgemäß die Mittel besser aufzeigen als ihre Wirkung.

Bei dem wirklichen Reichtum des Buches, der schon als analytischer bezeichnet
wurde, ist es kaum möglich auf einzelnes einzugehen. In den einleitenden Abschnitten
über das Wesen der Kunst und über den Unterschied des künstlerischen Sehens vom
natürlichen wird die bildende Kunst umschrieben als die Tätigkeit, durch die der
Künstler den Dingen eine solche Form gibt, daß sie im Beschauer die vom Künstler
gewollte Stimmung erwecken oder bestärken (S. 14). Der Formbegriff steht am
rechten Orte. Ich meine aber, der Begriff Stimmung ist mit dem Wort »gewollt«
nicht fest genug in die Wesensbestimmung eingefügt. Und dann ist Stimmung für
weite Kreise und gerade für künstlerisch »halbgebildete« ein recht verwaschenes Wort.
Vom künstlerischen Sehen heißt es, daß das räumliche Sehen seine höhere Stufe dar-
stellt (S. 34). »Alle höheren künstlerischen Werte sind Raumwerte«. Darum ist die
Klärung des Raumeindruckes eine der ersten und wichtigsten Aufgaben der Kunst
(S. 34). In der Behandlung des Raumes den ganzen Inhalt der Kunsttätigkeit sehen
zu wollen, ist aber einseitig (S. 44). Bei der Frage, wieviel in dem Vergleiche der
Formen der Kunst mit denen der Sprache Berechtigtes liege (S. 41), hätte die Ästhetik
B. Croces berücksichtigt werden müssen. Mehr als ich fand, hatte ich mir von dem
Abschnitt »Reihung und Rhythmus« (S. 63—67) erwartet. Zu scharf scheint mir die
Konstruktion aus dem Organismus des Künstlerischen ausgeschieden (S. 224 ff.).
Auch der Zweck (S. 244—251). »Nur die allereinfachsten Gesetze und Grundlagen
baulicher sowie handwerklicher Tätigkeit formen sich nach Zweckmäßigkeitsgründen.
Kunst aber beginnt erst dort, wo über diese hinausgehend der Trieb nach Erhebung
über das Alltägliche eingreift und Schönheit als Überfluß, als Hebel der Freude hin-
zufügt« (S. 249). Trotz der abweisenden Handbewegung (S. 250) möchte ich doch
auf Werner Lindner, Die Ingenieurbauten in ihrer guten Gestaltung (Berlin 1923),
hinweisen. Nimmt man mit dieser Ablehnung des Zweckgedankens und des Kon-
struktionsmomentes das Lob zusammen, durch das die Säule »zur edelsten Form,
zur stolzen Krone und feinsten Blüte der Baukunst« erhoben wird (S. 88), so wird
es nicht schwer, ein Fortwirken »griechischen Formgefühls« im Verfasser zu erkennen.
Darum kann er auch mit solcher Entschiedenheit und Sicherheit schreiben: »In Be-
wegung der Linien, Zusammenklingen der Flächen, Räume und Massen, der Farben
und Lichter, in Wiederholung, Rhythmus und Gleichgewicht, in Gegensatz, Vermitt-
 
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