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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0537

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534 BESPRECHUNGEN.

damit hat der erste Teil zu beginnen.« »Es war unlogisch, wenn der erste Teil
zuerst den Begriff des Schönen an sich entwickelte, dann vom subjektiven Eindruck
des Schönen handelte.« »Das Subjekt gehört an den Anfang.« »Die Phantasie ist
im ersten Teile schon da« (S. 224; vgl. auch S. 236). »Der Abschnitt vom Natur-
schönen muß heraus« (S. 227). Der Ästhetiker darf nicht die Welt durchforschen
und dabei künstlich verschweigen, daß er »mit den Augen der Phantasie und der
verschiedenen Künste blickt und urteilt« (S. 224). War das System ursprünglich
dreiteilig, so wird es nunmehr zweiteilig (S. 231). Eine Zusammenschiebung also
im oben angegebenen Sinne!

Mit dem neuen kantianisierenden Anfang trat das Form-Inhalt-Problem
in den Vordergrund, insoferne -das Eigentümliche der ästhetischen Anschauung
näher bestimmt« werden mußte (S. 254). Vischer hat hier eine gedankliche Pionier-
arbeit geleistet, die ihn jahrzehntelang in Spannung hielt. Als künstlerisch anschau-
enden Menschen und als Philosophen beschäftigte ihn die Frage. Ihre Auflösung:
die Bestimmung der ästhetischen »Form«, wie er sie zuletzt gewonnen hat, führte
ihn über Kant hinaus und auf den Boden der Hegeischen Weltanschauung zurück.

In dem Züricher Aufsalz »Über das Verhältnis von Inhalt und Form in der
Kunst« (1858; unsere Neuausgabe bringt ihn am richtigen Ort) handelt es sich zu-
nächst mehr um die praktischen Konsequenzen als um die abstrakte Theorie. Aber
schon hier wird der schweren neuen Aufgabe gedacht, die durchgreifend erledigt
sein will. »Wir haben die Herrschaft der Hegeischen Philosophie mit dem guten
Teil Ideologie, welche eine Hauptursache ihres Untergangs war, seit Kurzem hinter
uns. Hegel hatte feinen Sinn für die konkrete Kunstform . . . allein er war den-
noch Substantialist.« »Seitdem haben die Geister im Kunsturteil sich auf das andere
Extrem geworfen, auf den formalistischen Standpunkt« (S. 198 f.). »Was ist denn
Form?« Antwort: »Das Äußere eines Innern, richtiger das Äußere mit seinem
Innern, die Einheit des Innern und Äußern, von der Seite des Äußern betrachtet.
Eine bloße Form gibt es gar nicht« (S. 202).

Im ersten Teil der Selbstkritik werden diese Gedanken in die Tiefe verfolgt.
Vischer entwickelt seinen »gefüllten Formbegriff« (S. 291). Im engen Zusammen-
hang damit trägt er die für die Folgezeit in der Ästhetik so wichtig gewordenen
Begriffe des »Bilds« (S. 257 ff.) und des »Symbols« (S. 273 ff. und S. 316 ff.) vor.
Damit erreichen wir einen verhältnismäßig festen Boden, einen Boden, auf dem
Vischer weitergebaut, den er nicht mehr verlassen hat.

Der zweite Teil der »Kritik meiner Ästhetik« (1873) zeigt Vischer zunächst im
Kampfe gegen Robert Zimmermann (S. 329—402) und hier rückt nun das Form-
problem erst recht in den Mittelpunkt des Interesses. Wie schon 1866 M. Carriere,
der »Nachmittagsprediger der Ästhetik für sentimentale alte Jungfern« (S. 241—253),
so wird jetzt die Ästhetik der Herbartschen Schule, diese »barocke Verbindung von
Mystik und Mathematik« (S. 342) aufs wirksamste zurückgewiesen. Zuletzt setzt
Vischer sein eigenes neues Programm auseinander — und nun stürzt auch die Zwei-
teilung zusammen, beziehungsweise sie ergibt sich als eine bloße Zweckmäßigkeit
des Systemaufbaues. »Ich gebe die ganze Methode Hegelscher Begriffsbewegung,
welche die immanente logische Bewegung der Sache selbst sein soll, preis« (S. 404).
Aber auch der kantianisierende Anfang fällt dahin. »Die Ästhetik mag ganz empi-
risch beginnen« (S. 406). »Der erste Teil der Ästhetik hat das Wesen des Schönen
an sich zu untersuchen, . . . wo immer und wie verschieden gestaltet immer es in
der Wirklichkeit vorkommt« (S. 407). Der zweite Teil enthält dann die Kunstlehre.
Daß hier nicht mit Hegel das historische Moment zugrunde gelegt werden darf, hat
Vischer schon in seinem »Plan zu einer neuen Gliederung« erkannt und gesagt
 
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