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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0308
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304 BESPRECHUNGEN.

künstlerisch, aber vielleicht empfand er sich — manchmal im zweiten Teil der Ar-
beit — ein wenig allzu selbstbewußt bei seiner Scheidearbeit an großen Kunst-
werken, vielleicht fühlte er sich in diesen Wochen in der Villa Romana ein wenig
sehr aristokratisch, wenn er z. B. von dem »verächtlichen Aufwand an Massen-
begeisterung« spricht, »der in Deutschland seit Wagner maßgebend geworden ist«.
So etwas sollte ihm heute etwas zu billig erscheinen. (Weshalb fragt er da nicht,
was vorher in diesen Massen war? Die Antwort wäre: nichts. ' Schon darum
wäre die Wagnersche Wirkung, selbst wenn sie so niedrig stünde, wie Ziegler
meint, nicht verächtlich.)

Mir ist sodann, ganz allgemein gesprochen, der Orad von »Rechenschaft über
die Legitimität der Wirkungen«, den Ziegler verlangt, so durchaus klärend er für
die Wissenschaft ist, doch als Erfordernis jedes künstlerischen Erlebens problematisch.
Ziegler ist stark in abstracto, man sehe die Ausführungen über Plotin, er vermag
in besonders hohem Maße das »Sehn und Denken«, das er vereinigt wünscht, zu
durchdringen — doch das beweist noch nichts für jene Forderung. Am Schluß
sagt er sehr hübsch mit Bezug auf Gozzoli: »Eignen wir uns . .. etwas von dieser
Vergeßlichkeit an, die, eine andere Art Weisheit, Gegenstände und Dinge wie den
florentinischen Festzug Gozzolis fröhlich begaffen lehrt. Vielleicht wäre es gar nicht
so töricht, in unserm sonderbaren Wechselspiele von Sehen und Grübeln den viel-
geliebten Augen den heitern Sieg zu überlassen«. Vielleicht sollte er es nicht nur
in Beziehung zu Gozzoli sagen.

Er spricht in der Vorrede selber aus, daß radikale Folgerungen keineswegs
vermieden, sondern aufgesucht werden sollen. Das wird ja immer anregen und
geschieht hier in vornehmer Art. »Wen diese Ergebnisse ob ihrer Gegensätzlich-
keit zu scheinbar begründeten Urteilen ärgern oder gar kränken sollten, der weise
trotzdem den Argwohn weit von sich, als seien sie frecher Freude am Umwerten
und Besserwissen entsprungen«. Sicherlich berechtigt; aber für irrtümlich halte ich
doch, was er z. B. gegen Adolf Hildebrand sagt. Ich finde ähnliche Mißverständ-
nisse in Wätzoldts Einführung in die bildenden Künste. Sonderbar, manchem von
uns erscheint die Hildebrandsche Kunst und Theorie als das Klarste und Zwingendste,
was es geben kann. Ich will hier nicht die Hildebrandsche Frage wieder aufrollen,
will nur bemerken, daß es mir sehr leicht scheint, Hildebrand auch gegen Ziegler
zum Siege zu verhelfen. Wer den Satz schreiben kann (S. 141), Hildebrands
Plastik wäre malerisch, —! Ziegler unterliegt da falschen Begriffen. Und niemand
hat Ghibertis Art des Reliefs schärfer als malerisch erkannt und abgelehnt als
Hildebrand, bei Ziegler aber steht (S. 77): »Bestünde diese Theorie zu Recht (daß
das Auge von vorn nach hinten gehe), so gäbe es freilich kein vollkommeneres
Relief als das Ghibertis«. Die vordere Ebene, die Hildebrand im Relief anstrebt,
und die eine Hauptansicht, die die Vollplastik haben soll, sie geben Ruhe, sie be-
grenzen und: sie vereinen doch mit sich das Kubische in restlos klarer Weise — wie
ungeheuer lehrreich ist in dieser Beziehung ein Vergleich seiner Porträtbüsten etwa
mit solchen von Begas! — Dieses Zugleich gibt Hildebrands Kunst nicht zuletzt
die Feinheit und Anregungskraft und erhebt seine ganze Erörterung auf ein höheres
Niveau als das ist, auf dem sämtliche Einwände gegen ihn sich bewegen.

Zieglern scheint sogar unbekannt geblieben zu sein (nach S. 147), daß auch
Hildebrand Stein und Bronze stilistisch sehr unterscheidet. Wenn es aber auch
Karl Justi (in seinem Michelangelo) meinem Erachten nach mit nichten gelang,
Hildebrands Lehre zu entkräften, so ist das eben ein gutes Zeichen mehr für
Hildebrand.

Scharfem Widerspruch wird Zieglers scharfe Kritik noch an einer andern Stelle
 
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