BEMERKUNGEN. 599
schiedene Kunstwerke zur Geltung gebracht werden. Daraus ergibt sich die theo-
retische Frage nach den Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, damit nicht
die objektiven Zusammenhänge für die vom Künstler gewollten subjektiven genom-
men werden. Herr Wulff hält die Kontrastierung bei Werken der bildenden Kunst,
z. B. eines Tizian und Teniers, für sehr bedenklich. In seinem Schlußwort bestätigt
Herr Dessoir, daß seine Betrachtung die Anwendung des allgemeinen Problems
der Zusammenstellung von Kunstwerken auf einen Spezialfall bilde. Sehr wesent-
lich sei es aber dabei, den Unterschied zwischen Zeit- und Raumkünsten zu be-
rücksichtigen, die unter verschiedenen Voraussetzungen stehen. Die Aufstellung
gewisser Normen rein formaler Art sei zweifellos berechtigt, wenn sie auch für
den Einzelfall mehr die Bedeutung negativer Instanzen haben. Er hält eine Zu-
sammenstellung, wie sie z. B. bei gleichmäßig gestimmten Einaktern im Theater
vorgenommen werde, für künstlerischer als ein starkes Arbeiten mit dem Kontrast.
Am 14. Mai folgte ein Vortrag des Herrn Dr. C. Glaser über »Naturnach-
ahmung und Naturformen in der japanischen Kunst«. Er sieht in dieser
Fassung des Themas nur einen Notbehelf. Einen vollkommeneren Ausdruck zu
finden, ist schwierig, weil es uns an Schlagwörtern zur Verständigung über ost-
asiatische Kunst gänzlich fehlt. So bedeutet zwar Naturnachahmung auch für den
Japaner den Anfang, keineswegs aber das Endziel der künstlerischen Betätigung-
Auf unmittelbare Illusion, mit der dieser Begriff sich für uns verbindet, ist es dort
niemals abgesehen. Das Wort läßt sich aber wieder nicht ersetzen, sondern höchstens
durch diese negative Bestimmung einschränken. So läßt sich auch der von unserer
europäischen Raumdarstellung abstrahierte Begriff der Perspektive nicht auf japa-
nische Kunst anwenden, womit aber nicht geleugnet werden soll., daß ihr über-
haupt eine Form der Raumdarstellung eigen ist. Die besondere Art der Natur-
nachahmung bei den Ostasiaten läßt sich am besten an mehreren konkreten Bei-
spielen entwickeln. Der Vortragende knüpft zunächst an eine typische ostasiatische
Landschaftsdarstellung eines berühmten lebenden Meisters an, der die Natur als
seine einzige Lebensmeisterin bezeichnet hat. Daß die Absicht der Naturnachahmung
besteht, ist also nicht zu bezweifeln. Und doch ist das Bild nicht von der Natur
abgeschrieben und am allerwenigsten eine Impression, — vielmehr eine Formel für
den Ewigkeitsgehalt der Natur, beispielsweise nicht ein bestimmter Wasserfall, son-
dern der Wasserfall schlechthin, wobei mythische Vorstellungen vom Wasser in
diese Auffassung hineinspielen. Am Boden kniend blickt der Künstler vom Papier
nicht auf und gestaltet nur sein inneres Gesicht. Einen weiteren Fall stellt eine
Folge von Landschaftsbildern dar, die ein von einer Wanderfahrt heimgekehrter
Künstler aus der Erinnerung gemalt hat. Sie lassen sich durch photographische
Aufnahmen nachprüfen. Hier vereinigen sich verschiedene Erinnerungsbilder in
einem Gemälde, wie das Programm der Futuristen fordert, es besitzt aber ebenso-
viel innere Wahrscheinlichkeit wie das Naturvorbild. Im Anfang hat ein naives
Bestreben zur Abbildung der Natur nicht gefehlt, die Entwicklung der Kunst ver-
läuft aber nicht im Sinne einer fortschreitenden Annäherung an die Natur wie in
Europa. Wenn hier die wichtigsten Fortschritte, wie die Ausgestaltung der Räum-
lichkeit und der Schattenmalerei, mit technischen Neuerungen zusammenhängen, so
fehlt das alles den Ostasiaten. Sie sind den Weg zur äußersten Beschränkung des
Farbigen gegangen und die Kunst ist ihnen zu einer Art Geheimsprache von Ästhe-
ten geworden, deren Kreise jedoch ziemlich weit gezogen sind. Ein Bild des ge-
feierten Malers Sesshu vertritt den klassischen Stil vom Ende des 15. Jahrhunderts,
der keine illusionsmäßige Wirkung anstrebt, sondern aus immer wieder denselben,
den Ostasiaten vertrauten Elementen eine Folge von Landschaften als Extrakt aus
schiedene Kunstwerke zur Geltung gebracht werden. Daraus ergibt sich die theo-
retische Frage nach den Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, damit nicht
die objektiven Zusammenhänge für die vom Künstler gewollten subjektiven genom-
men werden. Herr Wulff hält die Kontrastierung bei Werken der bildenden Kunst,
z. B. eines Tizian und Teniers, für sehr bedenklich. In seinem Schlußwort bestätigt
Herr Dessoir, daß seine Betrachtung die Anwendung des allgemeinen Problems
der Zusammenstellung von Kunstwerken auf einen Spezialfall bilde. Sehr wesent-
lich sei es aber dabei, den Unterschied zwischen Zeit- und Raumkünsten zu be-
rücksichtigen, die unter verschiedenen Voraussetzungen stehen. Die Aufstellung
gewisser Normen rein formaler Art sei zweifellos berechtigt, wenn sie auch für
den Einzelfall mehr die Bedeutung negativer Instanzen haben. Er hält eine Zu-
sammenstellung, wie sie z. B. bei gleichmäßig gestimmten Einaktern im Theater
vorgenommen werde, für künstlerischer als ein starkes Arbeiten mit dem Kontrast.
Am 14. Mai folgte ein Vortrag des Herrn Dr. C. Glaser über »Naturnach-
ahmung und Naturformen in der japanischen Kunst«. Er sieht in dieser
Fassung des Themas nur einen Notbehelf. Einen vollkommeneren Ausdruck zu
finden, ist schwierig, weil es uns an Schlagwörtern zur Verständigung über ost-
asiatische Kunst gänzlich fehlt. So bedeutet zwar Naturnachahmung auch für den
Japaner den Anfang, keineswegs aber das Endziel der künstlerischen Betätigung-
Auf unmittelbare Illusion, mit der dieser Begriff sich für uns verbindet, ist es dort
niemals abgesehen. Das Wort läßt sich aber wieder nicht ersetzen, sondern höchstens
durch diese negative Bestimmung einschränken. So läßt sich auch der von unserer
europäischen Raumdarstellung abstrahierte Begriff der Perspektive nicht auf japa-
nische Kunst anwenden, womit aber nicht geleugnet werden soll., daß ihr über-
haupt eine Form der Raumdarstellung eigen ist. Die besondere Art der Natur-
nachahmung bei den Ostasiaten läßt sich am besten an mehreren konkreten Bei-
spielen entwickeln. Der Vortragende knüpft zunächst an eine typische ostasiatische
Landschaftsdarstellung eines berühmten lebenden Meisters an, der die Natur als
seine einzige Lebensmeisterin bezeichnet hat. Daß die Absicht der Naturnachahmung
besteht, ist also nicht zu bezweifeln. Und doch ist das Bild nicht von der Natur
abgeschrieben und am allerwenigsten eine Impression, — vielmehr eine Formel für
den Ewigkeitsgehalt der Natur, beispielsweise nicht ein bestimmter Wasserfall, son-
dern der Wasserfall schlechthin, wobei mythische Vorstellungen vom Wasser in
diese Auffassung hineinspielen. Am Boden kniend blickt der Künstler vom Papier
nicht auf und gestaltet nur sein inneres Gesicht. Einen weiteren Fall stellt eine
Folge von Landschaftsbildern dar, die ein von einer Wanderfahrt heimgekehrter
Künstler aus der Erinnerung gemalt hat. Sie lassen sich durch photographische
Aufnahmen nachprüfen. Hier vereinigen sich verschiedene Erinnerungsbilder in
einem Gemälde, wie das Programm der Futuristen fordert, es besitzt aber ebenso-
viel innere Wahrscheinlichkeit wie das Naturvorbild. Im Anfang hat ein naives
Bestreben zur Abbildung der Natur nicht gefehlt, die Entwicklung der Kunst ver-
läuft aber nicht im Sinne einer fortschreitenden Annäherung an die Natur wie in
Europa. Wenn hier die wichtigsten Fortschritte, wie die Ausgestaltung der Räum-
lichkeit und der Schattenmalerei, mit technischen Neuerungen zusammenhängen, so
fehlt das alles den Ostasiaten. Sie sind den Weg zur äußersten Beschränkung des
Farbigen gegangen und die Kunst ist ihnen zu einer Art Geheimsprache von Ästhe-
ten geworden, deren Kreise jedoch ziemlich weit gezogen sind. Ein Bild des ge-
feierten Malers Sesshu vertritt den klassischen Stil vom Ende des 15. Jahrhunderts,
der keine illusionsmäßige Wirkung anstrebt, sondern aus immer wieder denselben,
den Ostasiaten vertrauten Elementen eine Folge von Landschaften als Extrakt aus