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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0128

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122 BESPRECHUNGEN.

im ganzen zu beschreiben.« (S. 108.) Aber diese Durchbrechung der Methode
bleibt keineswegs Ausnahme. Bei Tizian (S. 164) steht die Entschuldigung, daß
>ein Besprechen der Beziehungen zum Bildganzen nicht zu umgehen« sei, nur
noch in der Anmerkung, und später bei Giorgione behält Verfasserin schon still-
schweigend die Beziehung der Karnation zum Bildganzen im Auge. Ja, in den
weiter fortschreitenden Teilen des Buches siegt die richtige und natürliche Beob-
achtung so weit über die anfangs aufgestellte Methode, daß alle Betrachtung vom
Bildganzen ausgeht und S. 206 zum Beispiel die gesamte Entwicklung von Bellini
her mit Rücksicht auf das Bildganze rekapituliert wird. Nimmt man noch alle
übrigen verstreuten Stellen hinzu, wo Verfasserin zur Ergänzung auf die Stellung
der Farbe im Bildganzen hinweist, wie zum Beispiel gelegentlich der feinen Beob-
achtungen über die Karnation in der niederländischen Malerei (S. 129), so ergibt
sich schließlich, daß Verfasserin im Laufe der Untersuchung immer wieder gedrängt
wird, die anfangs aufgestellte Methode zu verlassen. Man darf weitergehen und
geradezu als methodische Forderung den Satz aufstellen: Jede kunstgeschicht-
liche Kolorituntersuchung hat vom Bildganzen auszugehen und
muß erst die Organisation der Farbe innerhalb des Bildganzen
festlegen, ehe sie an Einzeluntersuchungen herantritt.

So wie das Buch jetzt angelegt ist, sind die sorgfältig niedergelegten Beob-
achtungen nicht so fruchtbringend, als man wünschen möchte. Sie werden erst
dann ihren Wert erhalten, wenn die noch ausstehenden Teile der Untersuchung
vorliegen.

Bei der Abgrenzung der Arbeit hat Verfasserin die Zeitspanne für die Unter-
suchung so weit als irgend möglich gewählt, von den Anfängen bis auf Tiepolo,
das ist ein halbes Jahrtausend. Das erste Kapitel behandelt das »stilisierte Kolorit«,
das die venezianische Malerei bis zum Ende des Trecento beherrscht und darüber
hinaus noch verschiedentlich angetroffen wird. Charakteristisch für dies wirklich-
keitsferne Kolorit ist die schematische Farbengebung in der Karnation: ein heller
Hautton mit grüngrauen und roten Schatten. Es wird versucht, dies Kolorit auf
Byzanz zurückzuführen und es als letzten Nachklang antiker mannigfacher Farb-
behandlung zu erklären. Doch ist der historische Sachverhalt hier nicht klar ge-
worden. Keineswegs darf die Entwicklung so gefaßt werden, als ob seit der
Antike her eine allmähliche Schematisierung des Kolorits stattgefunden habe. Auch
Byzanz hat seine Renaissanceperioden, in denen das modellierende und mannig-
faltige Kolorit der Antike aufgenommen und bewahrt wird.

Im Gegensatze zum stilisierten Kolorit der byzantinischen Malerei Venedigs
läßt sich im Quattrocento die Aufnahme der einfarbigen Karnationsbehandlung ver-
folgen, die bei den Venezianern etwas später als im übrigen Italien auftritt. Der
Zusammenhang aus dem neuen Naturalismus und der Rücksicht auf die Formklar-
heit hätte noch stärker betont werden können. Es zeigt sich nun weiter, daß diese
»annähernde Einfarbigkeit der Karnation« den Ausgangspunkt darstellt für die
fernere Entwicklung, die darauf ausgeht, allmählich mehr und mehr von der reichen
Farbigkeit des Naturobjekts in die Darstellung aufzunehmen. Die Bereicherung
in der Karnation macht sich zunächst während der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts in überaus zurückhaltender Weise bemerkbar. »Einmal wird zwischen
Schatten und Licht ein abweichender Modellierungston eingeführt, außerdem aber
das besondere Aufsetzen von Rot, welches früher schon an den Köpfen vorge-
kommen war, auch auf andere Körperstellen, wie Ellenbogen, Hände, Pubes, Knie,
Füße ausgedehnt. Die Tönungen sind sehr leicht und auf einige Entfernung hin
meist wenig bemerkbar, nur zuweilen etwas lebhafter an den Köpfen.« Erst im
 
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