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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0130

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124 BESPRECHUNGEN.

Bauplan zu verlieren scheint. Dazu kommt schließlich noch, daß auch die ganze
Art der Ausführung selbst bei einfacherer Anlage des Buches dem Leser die Orien-
tierung schwer machen würde: denn der Verfasser schreibt einen Stil, dem alle
Vorzüge des Reichtums an Wendungen, Einfällen, Apercus, literarischen Anspielungen
willig zugestanden werden können, nur nicht die Eigenschaft der Klarheit und
Flüssigkeit. Man muß, wenigstens als »Kunstphilologe«, seine Sätze oft zwei-oder
dreimal lesen, ehe man die in schillernde Falten gehüllte Pointe erfaßt hat. Der
Verfasser sagt selbst einmal (S. 7), er habe, da er über Kunst produktiv zu denken
anfing, sich gerade das zur Aufgabe gemacht, nie über Kunst künstlerisch — oder
künstlich — zu schreiben. Das ist im Hinblick auf manche moderne Kunstschrift-
stellerei und insbesondere auch auf die »orgiastische« Ausdrucksweise, die gerade
in Schilderungen des Barocks zuweilen hervortritt, durchaus löblich und ein Be-
weis guten Geschmacks. Aber es gibt noch andere Stilsünden gegen den Geist
der Einfachheit und Klarheit, und von diesen hat der Verfasser sich leider nicht immer
freizuhalten verstanden.

Das ist, wie gesagt, bedauerlich in seinem Interesse wie in dem der Kunst-
wissenschaft, der immerhin hier eine Fülle von Ideen und Anregungen geboten
wird, die auszuschöpfen gar mancher durch die unübersichtliche und immer
wieder abschweifende Darstellungsart abgeschreckt werden dürfte. Deshalb möchte
ich zunächst versuchen, die mir wertvoll erscheinenden Grundgedanken zum Thema
der eigentlichen »Barockprobleme«: hier kurz zusammenzufassen: Es gibt kein
Barock als besondere Kunstphase, wenigstens nicht in dem vorwurfsvollen Sinne
dieser Bezeichnung und abgesehen von manieristischen Einzelerscheinungen, wie
sie keiner Epoche fehlen. Der Barock ist die notwendige Fortentwicklung, ja die
Erfüllung des ganzen Strebens der Renaissance und seinem Grundwesen nach ein
entschiedener Fortschritt gegen die Renaissancekunst. Denn er bringt dem Suchen
nach Einheit im Kunstwerk, in dessen Zeichen die Renaissance steht, erst volle
Erfüllung, und zwar sowohl in allen drei Kunstgattungen einzeln, wie auch in der
Form, daß sie zu einem Gesamtkunstwerk zusammenwirken, wobei die Architektur,
wie in allen wahrhaft originären Kunstepochen, die Führung ergreift. Das Werden
des Barocks, das die Forschung bisher nicht über Michelangelo, Correggio und
Raffael zurückzuführen gewagt hat, vollzieht sich bereits in den Künstlern des
15. Jahrhunderts; Donatello gehört ebenso zu seinen Ahnherren, wie Leo Battista
Alberti, Filippino Lippi, Piero dei Franceschi u. a. Denn das Wesen des Barocks
ist eben »das Wachsen und Fortbilden der Fähigkeit zum Einheitsgestalten«, das
»umsichtig berechnete Unterschicken der Glieder unter ein umfassendes Ganzes«.
So gelangt erst der Barock völlig zur künstlerischen Illusion, in dem methodo-
logischen Sinne, daß das Kunstwerk eine Welt und eine Einheit für sich bedeutet,
außerhalb der Wirklichkeit des Genießenden. Die Achtung vor dem »Gesetz des
Rahmens« ist ja, zumal für den romanischen Kunstgeist, die Voraussetzung alles
monumentalen Schaffens und verzichtet leicht auf die von uns Modernen betonte
spitzfindige Unterscheidung von Schein und Erscheinung; sonst hätte sich, wie der
Verfasser hübsch bemerkt, ein so hochgemuter Künstler wie Leonardo wohl schwer-
lich zum Festdekorateur der Sforza und der Könige von Frankreich hergegeben.
Die richtig gestellte Forderung der Illusion aber, ein »malerisches« Bild zu ertäuschen,
ȟberzutreten in ein anderes Gebiet mit anderer Gesetzlichkeit , geht einheitlich
durch die ganze Kunst vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Ihre Erfüllung bereitet
sich vor durch die vielgestaltige theoretisch-praktische Beschäftigung der Renaissance-
menschen mit der Kunst, durch die planmäßig getriebene Nachahmung des Alter-
tums und die eifrige Pflege des Dramas in Kirche und Hofleben, der öffentlichen
 
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