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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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136 BESPRECHUNGEN.

bundenheit sieht sich Witkop nun eigentlich nur von Eichendorff ganz befriedigt;
für das Nationale in Platens Heimatsflucht hat er so wenig Verständnis wie etwa
für das in Heine landschaftlich Bedingte. Vielmehr geht er immer von einem
durchaus abstrakten und keiner Prüfung standhaltenden Idealbild des Volksliedes
aus und erkennt als echt und als »volksverbunden« nur an, was diesem, natürlich
auf individuelle Poesie nicht einfach zu übertragenden, Muster entspricht — wäh-
rend er, dies von seinem Standpunkt aus nicht ohne Berechtigung, vor allem ver-
urteilt, was die Art des Volkslieds annimmt, ohne ihr innerlich zu entsprechen: Wil-
helm Müller (den er gerechter beurteilen würde, wenn er seine ganz volksliedmäßige
»Musikgebundenheit« würdigen könnte) oder Heine. — Wenn er nun aber gar aus
seiner vorgefaßten Meinung vom Wesen des Dichters Anlaß nimmt, einem Poeten
vorzuwerfen, daß er sich nicht in eine Dame verliebt habe, die ihm für seine Ent-
wicklung hätte förderlich sein können (vgl. S. 189, 194), so ist damit freilich Düntzer
überdüntzert; wie auch wenn Witkop die Frage auf wirft, wie der Fichtenbaum von
der Palme wissen könne? Ach ja; und wie kann man einen schönen Wald »auf-
bauen«? oder wie kann ein Lied in allen Dingen »schlafen«?

Am glücklichsten ist der Verfasser, wo er in scheinbar naturentfremdeten Dichtern
wie Hebbel die Grundlage des »sinnlichen Naturerlebens« nachweisen kann. Glück-
liche Formulierungen begegnen auch an anderen Stellen; so daß sich Tiecks »zer-
fließendes Leben nicht zum Erlebnis verdichtet habe« (S. 36) oder daß Platen ge-
nötigt war, »Dichtung aus Dichtung zu gestalten« (S. 186). Wogegen es mir doch
äußerlich scheint, wenn Witkop von Uhlands »holzgeschnitzter Wesenheit« (S. 95)
spricht. Überhaupt kommen die Dichter der Freiheitskriege bei ihm schlecht weg
— weil er eben nicht weiß, was die eigentlichen Eigenheiten des wahren Volks-
lieds sind und wie deshalb im 19. Jahrhundert ein Volkslied aussehen mußte!

Berlin.

Richard M. Meyer.

Friedrich Succo, Toyokuni und seine Zeit. I. Bd. München,R. Piper & Co.
1913. Gr. 4°. XV und 156 S. 153 Abbildungen und 6 Farbentafeln.

Die bedeutendsten der japanischen Holzschnittmeister, Harunobu, Utamaru,
Sharaku, Hokusai, haben in den letzten Jahren ihre Biographen gefunden. Jetzt
scheint das zweite Glied an die Reihe kommen zu sollen. Succo hat sich daraus
Toyokuni erwählt und damit eine ebenso schwierige wie undankbare Arbeit über-
nommen. Schwierig vor allem, weil die Blätter Toyokunis in seiner zweiten Lebens-
hälfte denen seiner Schüler, die seinen Namen annehmen, derart ähneln, daß sie
von ihnen oft schwer zu trennen sind. Undankbar, weil es sich mehr um einen
nachfühlenden als selbstschaffenden Meister handelt, dessen letzte Werke schon die
Kennzeichen der höchst unerfreulichen Verfallsperiode des japanischen Farbenholz-
schnittes tragen.

Succo hat eine ganze Reihe von Jahren dem Studium dieses Meisters geweiht
und hat dann auch schließlich ein Werk herausgebracht (der II. Band, der wohl
den Oeuvre-Katalog enthalten wird, steht noch aus), das die Bewunderung aller
derer verdient, die imstande sind, zu beurteilen, welch außerordentliche Masse von
Arbeit in diesen Untersuchungen steckt. Es galt nicht nur aus allen Winkeln die
zerstreuten Werke Toyokunis zusammenzusuchen, sondern jedes einzelne auf seinen
geistigen Vater zu prüfen, um die vielen Einflüsse nachzuweisen, denen sich
Toyokuni zu allen Zeiten seiner Laufbahn hingegeben hat. Dann hat Succo über
Toyokunis sehr einfach verlaufenes Leben eine große Reihe von Daten zusammen-
gebracht, die wohl kaum noch eine Vervollständigung finden dürfte.
 
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