Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0148

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
142 BESPRECHUNGEN.

werden. Theuer überträgt: Zahl, Beziehung und Anordnung. Das ist mißverständ-
lich. Numerus bedeutet die Rhythmisierung des Nacheinanders und mag mit
»Rhythmus« wiedergegeben werden; fmitio begreift die Harmonie des Simultanen.
Die erläuternden Beispiele Albertis machen diesen ihren Sinn nicht sehr viel klarer.
Da sie aber in der Architektur die »Gestalt« begründet, sie »definiert«, so wäre »Be-
grenzung« wohl der geeignetste Ausdruck. Dies bestätigt sich aus Albertis Traktat
*De statua« (S. 186 in Quellenschriften XI). Auf diese Kategorie hat ihn Piatons
Begriff des jiEpar, der »Grenze«, gebracht (vgl. Philebos 23E—26D).

Daß Alberti diese Kategorien als allgemein ästhetische gemeint hat, geht daraus
hervor, daß er für die fi/ütio in der Architektur eine neue Bezeichnung, figura, ein-
führt; zuweilen findet sich auch circumscripüo. Der Ausdruck bestätigt unsere Auf-
fassung der definitio hinsichtlich der Übertragung wie des spezifisch ästhetischen
Sinnes. In dieser scharf durchgeführten Scheidung von allgemein ästhetischer
Kategorie und Grundsatz der Architekturwissenschaft liegt der Beweis, daß Alberti
sich des Unterschiedes von Ästhetik und Kunstwissenschaft bewußt war.

Aus diesen wichtigsten Entgleisungen der sonst so zuverlässigen Übersetzung
geht schon zur Genüge hervor, daß Alberti einen Ehrenplatz in der Geschichte der
Ästhetik wird beanspruchen dürfen. Der Schüler Piatons und Plotins erfaßt den
Sinn der kritischen Philosophie und wagt zum ersten Male eine kritisch-transzen-
dentale Konstituierung von Ästhetik und Kunstwissenschaft, die uns heute noch
wertvolle Anregungen die Fülle gibt. Der Florentiner hat also wesentlich mehr
geleistet als einen »Versuch einer allgemeinen Bauästhetik, getrübt durch Einmischung
älterer Definitionen«, wie ihm Jacob Burckhardt (Gesch. § 31) nur zugestehen will.
Dieses Verdienst ist zu den von Theuer warm in einer kenntnisreichen Einleitung
hervorgehobenen noch hinzuzufügen. Aus diesem nicht minder wichtigen Grunde
ist die endlich vorliegende Übersetzung wichtig und wertvoll auch für Ästhetik und
Kunstwissenschaft im allgemeinen.

Marburg i. H. Willi Flemming.
 
Annotationen