180 WILHELM VON SCHOLZ.
ihrem Geschick eine Erschütterung, wie sie nur da eintritt, wo ein,
niemandem ganz erspartes, Erleben sich durch die Fügung der Um-
stände zu sehr hohem und deutlichem Ausdruck steigern läßt.
Wohl sicher ist das, was dem Dramatiker selbst nur im Stoff zu liegen
scheint, zum Teil schon die Formung, die sein dramatisch eingestelltes
Erleben der Dinge in begegnende Anregungen hineinsieht. Es ist dies
hier eine Veränderung, die mir aus »Gefährlichen Liebschaften« eine
»Gefährliche Liebe« werden ließ. — Deutlicher wird das bei der An-
regung zu meinen »Vertauschten Seelen«. Die alte indische Fabel von
dem Zauberspruch, mit dessen Hilfe man seine Seele in jeden be-
liebigen toten Leib senden kann, während der eigene Leib so lange
tot ist, ist der Stoff, ganz allgemein genommen. In der Fadlallahsage
bedient sich ein Derwisch des Zaubers, um in den Leib des Königs
zu kommen, während dessen Seele arglos, vom Derwisch verführt, in
einen Hirsch gefahren ist, nun, wie sie zurückkehren will, ihren eigenen
Körper besetzt findet und im Tiere bleiben muß. Dieser Stoff wurde
für mich erst in dem Augenblick zur dramatischen Konzeption, als ich
plötzlich, in Gedanken mit dem Stoff spielend, die Seelen des Königs
und des Derwischs mit vertauschten Körpern einander gegenüberstehen
sah. Erst hier ist der Keimpunkt der Komödie. Dieser — wie noch
einige ähnliche Fälle — scheinen mir auszusprechen, daß die erste
Anregung schon ein Schaffensakt des Dichters, ein Hineindenken
seines persönlichen Formwillens in einen dazu geeigneten Umkreis
von Motiven ist.
Während das erste Keimen eines dramatischen Werkes noch ein
verhältnismäßig einfacher Vorgang ist, verwickelt sich die weitere Arbeit
des Dramatikers am Werke immer mehr. Zum unbewußten Werden
tritt das bewußte Studium von Zeit- und Milieuverhältnissen hinzu,
das seinerseits wieder neue unbewußte Arbeit zur Folge hat. Ganz
grundlegende Wandlungen des Plans ergeben sich, Stockungen treten
ein, und oftmals muß erst der Wille einige Male zu einem Werke
zurückgekehrt sein, ehe es wieder in den Schaffenszustand — das Wort
hier vom Objekt genommen als ein Lebendig-, Eindrücklich-, Raumhaft-
werden innerer Bilder — übergeht. Ich will versuchen, den Vorgang
auf das Wesentliche zu bringen, muß ihn freilich dabei schematisieren.
Hat der Schaffensprozeß des Dramatikers mit der ersten Umge-
staltung einer äußeren Anregung begonnen, so erscheint das in ihm
sich absondernde Stück Ichgefühl, der Held, in Verbindung mit der
vorgestellten Schicksalswendung, an der es erlebt wird, bald wie ein
Festes in einem Spiel von Vorstellungen aller Art, in dem dies Feste
anzieht und abstößt, nach seiner inruhenden Formidee sich vergrößernd,
Gestalten und Geschehnisse heranziehend.
ihrem Geschick eine Erschütterung, wie sie nur da eintritt, wo ein,
niemandem ganz erspartes, Erleben sich durch die Fügung der Um-
stände zu sehr hohem und deutlichem Ausdruck steigern läßt.
Wohl sicher ist das, was dem Dramatiker selbst nur im Stoff zu liegen
scheint, zum Teil schon die Formung, die sein dramatisch eingestelltes
Erleben der Dinge in begegnende Anregungen hineinsieht. Es ist dies
hier eine Veränderung, die mir aus »Gefährlichen Liebschaften« eine
»Gefährliche Liebe« werden ließ. — Deutlicher wird das bei der An-
regung zu meinen »Vertauschten Seelen«. Die alte indische Fabel von
dem Zauberspruch, mit dessen Hilfe man seine Seele in jeden be-
liebigen toten Leib senden kann, während der eigene Leib so lange
tot ist, ist der Stoff, ganz allgemein genommen. In der Fadlallahsage
bedient sich ein Derwisch des Zaubers, um in den Leib des Königs
zu kommen, während dessen Seele arglos, vom Derwisch verführt, in
einen Hirsch gefahren ist, nun, wie sie zurückkehren will, ihren eigenen
Körper besetzt findet und im Tiere bleiben muß. Dieser Stoff wurde
für mich erst in dem Augenblick zur dramatischen Konzeption, als ich
plötzlich, in Gedanken mit dem Stoff spielend, die Seelen des Königs
und des Derwischs mit vertauschten Körpern einander gegenüberstehen
sah. Erst hier ist der Keimpunkt der Komödie. Dieser — wie noch
einige ähnliche Fälle — scheinen mir auszusprechen, daß die erste
Anregung schon ein Schaffensakt des Dichters, ein Hineindenken
seines persönlichen Formwillens in einen dazu geeigneten Umkreis
von Motiven ist.
Während das erste Keimen eines dramatischen Werkes noch ein
verhältnismäßig einfacher Vorgang ist, verwickelt sich die weitere Arbeit
des Dramatikers am Werke immer mehr. Zum unbewußten Werden
tritt das bewußte Studium von Zeit- und Milieuverhältnissen hinzu,
das seinerseits wieder neue unbewußte Arbeit zur Folge hat. Ganz
grundlegende Wandlungen des Plans ergeben sich, Stockungen treten
ein, und oftmals muß erst der Wille einige Male zu einem Werke
zurückgekehrt sein, ehe es wieder in den Schaffenszustand — das Wort
hier vom Objekt genommen als ein Lebendig-, Eindrücklich-, Raumhaft-
werden innerer Bilder — übergeht. Ich will versuchen, den Vorgang
auf das Wesentliche zu bringen, muß ihn freilich dabei schematisieren.
Hat der Schaffensprozeß des Dramatikers mit der ersten Umge-
staltung einer äußeren Anregung begonnen, so erscheint das in ihm
sich absondernde Stück Ichgefühl, der Held, in Verbindung mit der
vorgestellten Schicksalswendung, an der es erlebt wird, bald wie ein
Festes in einem Spiel von Vorstellungen aller Art, in dem dies Feste
anzieht und abstößt, nach seiner inruhenden Formidee sich vergrößernd,
Gestalten und Geschehnisse heranziehend.