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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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Doehlemann, Karl: Über dekorative Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0395

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OBER DEKORATIVE MALEREI. 389

aber auch anderseits die Wand nicht illusionistisch auflösen möchte.
Nun braucht jede figurale oder landschaftliche Szene einen gewissen
Bildraum, und dieser tritt dann eben an Stelle der Wand; anderseits
soll die architektonische Begrenzung doch noch vorhanden sein. Das
sind zwei Forderungen, die sich gegenseitig auszuschließen scheinen;
und doch läßt sich die Aufgabe durch einen Kompromiß lösen. Zu-
nächst muß man darauf verweisen, daß die Tiefen- oder Raumwirkung,
sowohl in der Natur als auch im Bilde, verschieden stark sein kann.
Wenn wir eine Straße mit ungleich orientierten Häusern, mit Erkern
und weit vorspringenden Dächern bei bedecktem Himmel, also in zer-
streutem Lichte betrachten, so liefert sie uns gar keinen starken Tiefen-
eindruck. Die gleiche Straße zeigt aber die allerstärkste Raumwirkung,
wenn die Sonne in der richtigen Stellung durch die Kontraste der
Schlagschatten alle Flächen mit einem starken Relief ausstattet.

Will man also diese Form der Wandmalerei verwenden, so wird
man die Tiefenwirkung nicht mehr als notwendig betonen, man wird
weder allzu kühne Verkürzungen anwenden noch besonders kräftig
wirkende Schlagschatten.

Namentlich dürften alle jene malerischen Effekte besser vermieden
werden, welche in besonderem Maße den Bildraum als von Licht und
Luft erfüllt erscheinen lassen; also gerade die modernen, impressio-
nistischen Errungenschaften, die den Luftton, das Flimmern des Lichtes
im Raum wiedergeben und die Auflösung der Konturen und Körper-
farben zur Folge haben.

Auf diese Weise gelingt es, dem Bilde seine Tiefe zu belassen, aber
doch gleichzeitig zu erreichen, daß das Bild sich noch in den archi-
tektonischen Rahmen einfügt. Die Farbengebung wird dabei sehr
wesentlich sein: leichte gebrochene Farben lösen die Wandfläche wohl
weniger auf als satte tiefe Tinten.

Alles was ich als charakteristisch für diese Art des Wandschmuckes
angeführt habe, läuft darauf hinaus, daß der Bildraum als idealer oder
gedachter Raum betont wird. Denn dieser ideale Raum zerstört die
Wandfläche sozusagen weniger. Es wird ferner der Rahmen des
Bildes hier stets vorhanden sein. Jede illusionistische Tendenz
würde bei dieser Behandlung der Wandfläche äußerst störend wirken.

Als Hauptvertreter dieser Art der Wanddekoration, die ich als
»Flächenmalerei« bezeichnen will, nenne ich Puvis de Chavannes.
Seine Wandmalereien im Pantheon in Paris werden jeden überzeugen,
daß es in der Tat möglich ist, eine Bildwirkung zu erreichen, ohne
die architektonische Wirkung zu zerstören, und der Eindruck ist ein
um so stärkerer, je weniger es den anderen Künstlern in dem gleichen
Räume gelungen ist, dies Ziel zu erreichen.
 
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