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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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BESPRECHUNGEN. 455

Dega, delä,
Pareil ä la
Feuille tnorte.
— Dieses willenlose Hinsinken, wie es symbolisiert wird durch das Hinübergleiten
des Reimwortes la zu Feuille! Von Lautsymbolik spricht auch Wechßler (S. 14);
nur hätte er darauf hinweisen sollen, daß die Klänge in der Dichtkunst nichts ohne
einen Inhalt sind, auf den sie bezogen werden können: Klänge an sich gibt es nur
in der Musik'). Doch wollen wir ihm danken, daß er im Gegensatz zur herkömm-
lichen Ästhetik energisch betont, in der Dichtkunst sei anschauliche Klarheit und
Gegenständlichkeit keineswegs notwendig oder wesentlich; auch ich glaube, daß
die meisten Menschen Gedichte als Klänge hören, die wenigsten sie als Bilder
sehen. Die Romanen freilich werden so bald nicht aufhören, Klarheit und Ver-
ständlichkeit zu fordern. Kein Wunder, daß Verlaine in seinem Vaterlande so
wenig gilt. »Nous le laissons aux Allemands« sagte ein Franzose, der an der Ber-
liner Universität eine angesehene Stellung einnimmt, und ein Pariser Romanist
schrieb mir vor einigen Jahren einen Brief, den Wechßler S. 43 abdruckt: »Die
Verse von Verlaine, derentwegen Sie mir die Ehre machen mich zu befragen, sind
die ersten, die mir jemals vor Augen gekommen sind, und sie erwecken in mir
nicht das Verlangen, die übrigen kennen zu lernen. (Es war das Lied Kaspar
Hausers.) Die fragliche Stelle scheint mir nicht viel Sinn zu haben ... Ich wundere
mich, daß man in Deutschland Zeit genug zu verlieren hat, um die Schriften dieses
erbärmlichen Alkoholikers (me'prisable alcoolique) zu übersetzen ...«

In der Bibliographie vermisse ich Stefan Zweigs »Verlaine« (Die Dichtung,
Bd. XXX, Berlin, Schuster & Loeffler).

Alles in allem eine vortreffliche Einführung in Verlaine.

München. Eugen Lerch.

O. Schissel v. Fieschenberg, Novellenkränze Lukians. Halle a. S. 1912,
Niemeyer. (Rhetorische Forschungen, herausgeg. von O. Schissel v. Fleschen-
berg und Joseph A. Glonar.) XVI u. 108 S.
Die mühsam gearbeitete und mühsam zu lesende Arbeit ist ein charakteristischer
Beitrag zu der neu erwachenden -literarischen Phänomenologie«. Man versucht
von vorgefaßten Meinungen über den Kunstzweck vorerst einmal abzusehen und
lediglich herauszuarbeiten, was einem Kunstwerk oder einer Gruppe von Kunst-
werken gattungsgemäß eigen ist. Nun setzt zwar die Gruppenbildung — im vor-
liegenden Fall die der »Rhetorik« — gewisse Kriterien bereits voraus; doch mag
es angehen, da das unzweifelhafte Bekenntnis des Autors selbst zu dieser bestimmten
Richtung weitere Prüfung ersparen kann. Somit gilt es die Kunstformen der Rhe-
torik — natürlich ist das Wort hier als »schriftliche Kunst der Rhetoren« zu ver-
stehen — festzustellen (S. VII f.), im bewußten Gegensatz zu denen, die an Lukian
den Maßstab der Poesie anlegen. Hier aber gleich ergeben sich doch sehr bedenk-
liche Folgerungen. In apodiktischer Weise wird die Gliederung der Poesie nach
ihren stilistischen Darstellungsformen als oberflächlich abgetan — während wir ge-
neigt sind, eine solche Auffassung, die die Bedingtheit der stilistischen Darstel-
lungsform durch den werkbildenden Kern des Gegenstandes selbst völlig verkennt,
unsererseits für recht äußerlich zu halten. Auch die Auseinandersetzungen über
Quellen und Quellenforschungen (S. XI f.) gehen aus einer Anschauung hervor, die

') Vgl. diese Zeitschrift VIII, 247-79, 353—402, besonders S. 255 ff.
 
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