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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0590

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BESPRECHUNGEN. 57g

möglichste Vollständigkeit der zu erklärenden historischen Reihe von Kunstwerken,
dazu das anschauliche Material von namentlich künstlerischen Vorbildern, welches
während der Entstehung jener Reihe zugänglich war; dann aber vor allem auch
Begriffe, welche sich aus der systematischen Verarbeitung solchen künstlerischen
Materials ergeben haben; ferner brauchen wir eine eingehende historische und
systematische Kenntnis der künstlerischen Arbeitsweisen, verbunden mit einer syste-
matischen Kenntnis des künstlerischen Schaffens als Erlebnisses. Auch die Bestim-
mung dessen, was künstlerisch heißen soll, ist eben von dieser systematischen
Untersuchung der Kunstwerke einerseits und des künstlerischen Schaffens als Vor-
gang und als Erlebnis anderseits zu leisten. Da nun das Kunstwerk als Produkt
eines gegebenen Momentes eines bestimmten Gesamtindividuums auftritt, so werden
wir weiterhin das Individuum und seine wechselnden Erscheinungen auch nach der
nichtkünstlerischen Seite betrachten und zur Erklärung heranziehen. Dann endlich
wird sich entscheiden lassen, inwieweit man von künstlerisch-anschaulichen Tat-
sachen auf außerkünstlerische schließen kann.

Höchst unwahrscheinlich ist es allerdings, daß dann die Lücke zwischen dem
Joseph und dem Aristoteles im wesentlichen durch ein ja doch unanschauliches
Philosophiestudium ausgefüllt werden könnte.

Daß das Buch vom Hyperionverlag in jeder Beziehung vorzüglich ausgestattet
worden ist, kann bei diesem Verlage wohl als selbstverständlich betrachtet werden.

Davos.

Eduard Feltgen.

Karl Brandi, Die Renaissance in Florenz und Rom. 8 Vorträge. 4. Aufl.
Leipzig 1913, B. G. Teubner. IX u. 279 S.
Die 4. Auflage von Karl Brandis bestbekanntem Renaissancewerk bringt, bei
geringen Veränderungen gegenüber der 3. Auflage, die notwendigsten Berücksich-
tigungen des weiteren Fortschritts in der Erforschung jener so unerschöpflich inter-
essanten Kulturperiode. Brandis Werk ist in Anlage und Vortrag so grundver-
schieden von dem gewaltigen Buch Jakob Burckhardts (ich meine die Original-
fassung), mit seinen überragenden Gesichtspunkten bei aller sonst verwirrenden
Fülle von kulturhistorischem und sittengeschichtlichem Detail, mit der schroffen
Sprödigkeit der Darstellung und der kühl-sachlichen Formulierung, in der das Dra-
matische der gepackten Schicksale wie in eiserner Faust zusammengedrückt und
konzentriert wird, daß schon um dieser Verschiedenheit willen Brandis Buch eine
wertvolle Ergänzung bildet. Auch gibt Brandi in der Tat das, was er selbst bei
Burckhardt vermißt: eine stärkere Betonung und einheitlichere Zusammenfassung
des Religionsgeschichtlichen, vor allem der Rolle der Päpste. Auch sonst ist, schon
durch die Gruppierung um die beiden großen Mittelpunkte, Rom und Florenz, eine
geschlossenere Darstellung möglich, die weniger die unglaubliche Fülle der Ansatz-
punkte von Kulturentwicklungen in den vielen Fürstenhöfen, als die einheitliche
organische Entwicklung der bedeutendsten Zentren zum Ausdruck bringen kann.
Auch die Einzelgestalten, Raffael, Michelangelo, Julius II. kommen mehr zu ihrem
Recht und sozusagen zu menschlicher Bedeutung, die sie als Beispiele für die
allgemeinen Gesichtspunkte Burckhardts nicht zeigen konnten. Man möchte fast
sagen, daß Burckhardt die Einzelnen als Atome eines Riesenkörpers, Brandi sie
als Individuen eines Kreises zeigt, — eine mehr naturwissenschaftliche gegenüber
einer mehr historischen Darstellungsweise. Verliert sich Burckhardt daher oft bis
in die Zusammenhäufung kleinster Bausteine seines weitläufigen Baus, so liegt bei
Brandi eher die Gefahr nahe, daß er in der Behandlung des einzelnen Individuums eine
 
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