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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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Groos, Karl: Das anschauliche Vorstellen beim poetischen Gleichnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0203

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DAS ANSCHAULICHE VORSTELLEN BEIM POETISCHEN GLEICHNIS. 197

dieses gedankliche Moment von großer Bedeutung ist, davon bin auch
ich mit Plüß überzeugt, und es ist sein Verdienst, diese Seite der
Wirkung klar herausgearbeitet zu haben. Ich glaube auch bestimmt
versichern zu können, daß ich selbst Gleichnisse recht oft in dieser
Weise apperzipiere: das Anschauliche fehlt oder tritt doch nicht stark
hervor; was sich am deutlichsten bemerklich macht, ist eine intellek-
tuelle Befriedigung; ich genieße sozusagen die witzige oder besser
(da wir in der Gegenwart beim »Witz« fast ausschließlich an das
Komische denken) die geistvolle Seite des Vergleichs. »Sehr treffend«
ist der adäquate Ausdruck für eine solche Befriedigung. Aber freilich:
ich erlebe poetische Vergleiche manchmal auch anders, wie schon im
Eingang betont wurde.

Es sei daher ohne weiteres angenommen, daß die angeführten Ant-
worten sämtlich gegen den ästhetischen Wert des anschaulichen Vor-
stellens sprechen. Ich räume damit ziemlich viel ein. Denn erstens
sind sie nicht alle ausschließlich negativ und zweitens würde es nicht
schwer sein, ihr Gewicht zum Teil durch den Hinweis auf die Ver-
suchsbedingungen, auf die störenden Nebenassoziationen der mit Asso-
ziationsversuchen bekannt gemachten Seminarteilnehmer und dergleichen
zu verringern. Aber selbst wenn wir die erwähnten fünf Antworten
(die sechste wird wohl besser nicht mitgerechnet — ich würde sie
eher im positiven Sinne deuten) ohne jede Einschränkung auf die Seite
des nicht anschaulichen Genießens treten lassen, so bleiben doch auch
bei diesen Seminarversuchen dreizehn Äußerungen übrig, die eine
ästhetisch förderliche Wirkung der inneren Bilder mit größerer
oder geringerer Entschiedenheit bestätigen. Sehen wir von den ein-
fachen Bejahungen ab (»Ja«, »fördernd«, »ästhetisch fördernd« und der-
gleichen), so sind als abgeschwächte oder eingeschränkte Bejahungen
die drei Antworten anzusehen: »Der ästhetische Eindruck wurde ziem-
lich stark gefördert ... (es würden aber auch die Worte allein auf
mich ästhetisch wirken)«; »Der ästhetische Eindruck wurde gefördert;
Haupteindruck war aber Wohllaut der Sprache«; »Förderlich, doch
wohl nicht stark« (Nr. 1, 9, 19). Als nachdrückliche Bejahungen können
dagegen die vier Antworten gelten: »Das visuelle Bild war für mich
sehr förderlich«; »Der ästhetische Eindruck wurde durch das Bild«
(der Tauben) »sehr erhöht«; »Die sinnliche Anschauung steigert das
ästhetische Genießen gewaltig; ohne sie der Eindruck bedeutend
schwächer«; »Der ästhetische Eindruck hing ganz am Bild; natürlich
auch am Wohlklang der Worte, doch war dieser schnell verschlungen«
(Nr. 18, 8, 15, 13).

Die Analyse der auf die Schlußfrage gegebenen Antworten führt
also zu folgendem Ergebnis. Es ist nicht zu bezweifeln, daß das
 
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