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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0093
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I

BESPRECHUNGEN 79

Schon in dem früheren Buch „Die altnordische Kunst" hatte die Abgrenzung der
Vorzeit gegen die Urzeit, die Abgrenzung also der neolithischen Kunst des
altnordischen Bauerntums gegen die bildnerischen Erzeugnisse der paläolithischen
Jägernomaden, den Anfang gemacht. Mit gewichtigen Argumenten hatte Sch. die An-
schauung vertreten, daß die paläolithischen Höhlen- und Felsenbilder ebenso wie die
geschnitzten kleinen Menschen- und Tierfiguren außerkünstlerische Erzeugnisse seien,
und daß der Körperschmuck ebenso wie die ornamentale Verzierung der Geräte eine
Art von Pseudoornamentik dieser Urzeit bildeten, während erst mit der neolithischen
Gefäßornamentik die Kunst im dezidierten Sinne, als die geistig schöpferische Ge-
staltung in bezug auf einen stofflichen Gegenstand — in bezug auf die Zweckform
des Gefäßes — erwachse und zu genetischer Entfaltung gelange. In dem neuen Buch
fügt Sch. den früheren Argumenten die entscheidende Begründung aus der geistigen
Struktur der paläolithischen Menschen hinzu: diese Menschen waren, wie es das
heutige Kind in seinem noch rein naturhaften Bildungsstadium auch ist, E i d e t i k e r,
und das Rätsel der so erstaunlich vollendeten Höhlen- und Felsenmalereien löst sich
durch diese Erkenntnis, daß sie eidetische Anschauungsbilder sind.

Das Abschlußthema des Buches von Sch., der Übergang der altnordi-
schen Ornamentik ins christliche Mittelalter, führt zu ein paar
aufschlußreichen letzten Kapiteln: die Begegnung der altnordischen Mentalität mit
dem Spiritualismus des Mittelalters und die entsprechende Begegnung der altnordi-
schen Kunsthaltung und Kunsttradition mit den christlich mittelalterlichen Fonn-
bedingungen und Formzielen wird erörtert. An den Beispielen der Wikingerkunst, der
irischen Buchmalerei, der britischen Kunst des 7. und 8. Jahrhunderts wird insbeson-
dere die konflikthaltige Lage dieser Begegnung verfolgt, deren Austrag die Ger-
manisierung Europas bedeutet. Die Absicht Sch.'s, an die Stelle der falschen
kunsthistorischen Folgeordnung „griechisch-römische Antike — Mittelalter — Neu-
zeit" die andere, germanisch bestimmte Folge „Vorzeit — Mittelalter — Neuzeit"
zu begründen, ist damit in ihr Ziel eingemündet.

In streng wissenschaftlicher Arbeit, mit einer enormen Kenntnis und Überschau
des gesamten prähistorischen und kunstgeschichtlichen Alaterials und mit unüberbiet-
barer Fähigkeit des Formsichtens und Formvergleichens ist Sch.'s Werk geschaffen.
Es birgt einen großen Reichtum an Forschungsgängen und Forschungsergebnissen.
Von seiner Aktualität braucht gar nicht die Rede zu sein. Festgestellt aber sei noch,
daß hier die dauernde Grundlage bereitet ist, auf der sich jede Geschichtsschreibung
erheben muß, welche die deutsche Kunst des Mittelalters und der Neuzeit in Gemäß-
heit zur geistigen Haltung der Gegenwart darstellen will.

Berlin. Ludwig Coellen.

Heinrich Lützeler: Die christliche Kunst Deutschlands.
(Buchgemeinde Bonn, Belehrende Schriftenreihe. 12.) Bonn, Verlag der Buch-
gemeinde 1936. Geb. RM. 5.80.

Der fleißige katholische Kunstschriftsteller Heinrich Lützeler, der im vergange-
nen Jahre die 3. Auflage seines Werkes „Die christliche Kunst des Abendlandes" ver-
öffentlichen konnte, beabsichtigt in dem neuen Buche eine Ergänzung jenes Werkes
zu geben, „wobei freilich die neue Zielsetzung einen völlig anderen Aufbau der Unter-
suchung fordert" (7 f.). Sein Thema ist hier die in unserem völkischen Aufbruch akut
gewordene und leidenschaftlich umkämpfte Spannung: Deutschtum — Christentum.
„Ist es eine schöpferische oder eine zerstörerische Spannung?" Es geht um die Frage,
„ob die christlich-deutsche Kunst im Kern deutsch und zugleich christ-
 
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