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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0095
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BESPRECHUNGEN

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irgend etwas von seinem eigenen Gepräge zu nehmen, so sei doch ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß nicht zum wenigsten gerade auch den Kunsthistorikern seine Lek-
türe zu empfehlen ist; denn es ist reich an guten Analysen, trefflichen ästhetischen
Formulierungen und nicht zuletzt an ikonographischer Belehrung. 10 Textfiguren
und ein Bilderanhang mit 114 vorzüglichen Abbildungen runden das gediegen aus-
gestattete Werk ab, das auch um seines billigen Preises willen sich weitere Kreise
erschließen wird.

Berlin-Grunewald. Georg Stuhlfauth.

Fritz Schumacher: Strömungen in deutscher Baukunst seit
1 80 0. Leipzig E. A. Seemann (1935).

Fritz Schumacher, der um das deutsche Bauwesen und die Baukunst des letzten
Menschenalters hochverdiente ehemalige Oberbaudirektor von Hamburg, hat dies Buch
vom Standpunkt des Schaffenden, nicht des Betrachtenden, geschrieben. Das heißt:
er legt von den zahlreichen Haupt- und Seitenwegen der deutschen Architektur seit
1800 diejenigen bloß, die für unser heutiges Bauen fruchtbar gewesen sind. Es ist
dabei bemerkenswert, daß Schumacher gleich zu Beginn die innere Gesetzlichkeit der
Entwicklung scharf betont. Also: gerade der Praktiker sieht die Gesetzmäßigkeit des
Werdens — das sollte manchen Kunsthistorikern zu denken geben, die, wie etwa neuer-
dings Hans Weigert in seiner Schrift „Die heutigen Aufgaben der Kunstwissenschaft",
den Begriff des Gesetzes aus der Kunstgeschichte restlos streichen möchten. So stellt
Schumacher für die Baugeschichte des 19. Jahrhunderts — z. T. im Anschluß an
Pinders Generationsproblem — einen deutlichen Rhythmus des Geschehens fest. Die
von 1780 über 1810 bis etwa 1840 aufsteigende Welle zeigt die Vorherrschaft des
„Architektonischen", die sich vor allem in der klassischen Neigung dieser Periode
ausprägt. Dagegen steht die absteigende Welle von 1840 über 1870—1900 im Zeichen
des Malerischen, was in den „eklektisch zerrinnenden Tendenzen der Zeit" zum Aus-
druck kommt. Vom Wellental um 1900 führt dann eine neue aufsteigende, vorwiegend
architektonisch bestimmte Wellenbewegung über 1930 zu einem Wellengipfel, der
noch im Dunkeln liegt. Es ist also, wie wir hinzufügen dürfen, im großen ganzen der
gleiche Rhythmus der Formentwicklung, der sich auch in der Bildhauerei, Malerei und
im Kunsthandwerk seit 1800 ausprägt, und es wäre eine lohnende Aufgabe, einmal
den Stilwandel seit 1800 in allen Kunstarten aufzuzeigen.

Das 1. Kapitel ist der Zeit von 1800—1S40 gewidmet. Schumachers Liebe gilt
vor allem dem älteren, vorwiegend Berliner Klassizismus, dessen „keineswegs griechi-
schen, sondern rein deutschen Charakter" er mit Recht betont. Aus dem Berliner Kreis
ging Weinbrenner hervor, der — wie der Verfasser nachweist — als einziger die
neuen städtebaulichen Aufgaben erkannte und erfolgreich in Angriff nahm.
Gerade in diesem Punkte versagte vielfach selbst Schinkel, dessen geniales Künstler-
tum sich am reinsten im Einzelbau ausdrückt: seine städtebauliche Fantasie geht nicht
auf die Gestaltung von Räumen, sondern wie seine romantischen Bühnenbilder auf
Achsen und Blickpunkte. Hier liegt — wie Schumacher treffend bemerkt — der Keim
zur Auflösung des Städtebaus als Kunst der „Regie der großen Massen".

Als um 1840 der Ansturm der Technik mit einer Fülle neuer Probleme einsetzt,
ist die Baukunst nur schlecht gerüstet. Rein formale Fragen des „Stils" stehen im
Vordergrund; neben der klassischen verstärkt sich die mittelalterlich-gotische Strö-
mung, mit der sich eine Erneuerung des Backsteinbaus verbindet. In dieser Linie
steht der zunächst in Hamburg, später in Christiania wirkende Alexander de Chateau-
neuf, dessen Bedeutung Schumacher zum ersten Male gerecht wird. Ihm verdankt

Zeitschr. f. Ästhetik u. alle. Kunstwissenschaft XXXI. 6
 
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