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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0097
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BESPRECHUNGEN

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den letzten Resten eines überlebten Historismus endgültig Schluß gemacht und eine
neue, unserer Zeit gemäße Formensprache entwickelt hat, wird doch zu wenig deut-
lich. Die gewiß berechtigten Bedenken gegen eine Übersteigerung des Sachlichkeits-
gedankens bis zu einer technischen Romantik dürfen nicht darüber hinwegtäuschen,
daß hier mit überwältigender Folgerichtigkeit ein neuer „Stil" im Entstehen ist, an
dessen Ausbildung Deutschland entscheidend mitgewirkt hat — man denke nur an
die Bezeichnung „estilo tedesco" in Italien! Und ist es nicht für die mitreißende Macht
der neuen Stilbewegung charakteristisch, daß auch die führenden Meister der älteren
Generation für ihr Schaffen nach dem Kriege aus dieser Bewegung starke und wert-
volle Kräfte gezogen haben? Bei der Aufzählung der Vorläufer vermissen wir den
Amerikaner F. L. Wright und den vielleicht genialsten holländischen Architekten der
Gegenwart Dudok. Das von jeher heiß umstrittene Schaffen von Walter Gropius wird
um seines konsequenten Rationalismus willen z. T. scharf kritisiert; auf seine ent-
wicklungsgeschichtliche Stellung fällt durch den geistvollen Vergleich mit van de Velde
neues Licht. Anerkennung finden die Bemühungen Bartnings um den neuen evangeli-
schen Kirchenbau, uneingeschränktes Lob die großartigen Schöpfungen der Behrens,
Bonatz, Pölzig, Elsässer, Martin Wagner, Hertlein, Elkart u. a. auf dem Gebiet des
öffentlichen Monumentalbaus. Zu den positivsten Leistungen der jüngsten Bauperiode
gehört die verantwortungsbewußte Gestaltung der Massensiedlung, in der nun wirk-
lich die ästhetische, die soziologische und die praktische Seite wieder zu einer Einheit
verschmolzen sind.

Von hohem Zukunftswert sind die letzten Abschnitte des Werkes, in denen Schu-
macher den Übergang vom „ästhetischen" zum „organischen" Städtebau schildert —
„Städtebau ist praktische Bodenpolitik" — und die Notwendigkeit von General-
bebauungsplänen und ihrer Erweiterung zur Landesplanung darlegt. Die Landes-
planung ist der grandiose Versuch, „Mächte zu beherrschen, die uns selbst zu be-
herrschen drohen und deren ,freies Walten' nicht etwa freies Wachstum, sondern freie
Wirrnis bedeutet". So wird diese — erst in den Anfängen stehende, gigantische Arbeit
zu einem wichtigen Glied in der Neuordnung des sozialen Lebens und damit in der
Aufbauarbeit des Staates.

Schumachers glänzend geschriebenes Buch ist nicht nur eine architekturhistorische
Leistung von hohem Rang — indem er die soziologischen, die technischen und die
wirtschaftlichen Bedingungen der Baukunst seit 1800 schildert, weist er zugleich die
innere Notwendigkeit des Entwicklungsablaufs nach. In diesem Buche verbinden sich
aufs glücklichste das gründliche historische Wissen und die vielseitige geistesgeschicht-
liche Bildung des bedeutenden Theoretikers mit dem lebendigen künstlerischen Gefühl
und dem in langjähriger, umfassender Praxis gereiften Urteil des schöpferischen
Architekten und Organisators.

Mannheim. Walter Passarge.

Konrad Kraus: Winckelmann und Homer (mit Benutzung der Ham-
burger Homer-Ausschreibungen Winckelmanns). Junker u. Dünnhaupt, Ber-
lin 1935.

„Da Homer in seiner Sprache, wie in Athen, erkläret wurde, und man sich ein
Bedenken machete, angeführete griechische Stellen zu übersetzen, weil es wenige
nötig hatten, da war die Zeit der Kenntnis des Altertums unter Gelehrten und Künst-
lern, und Ariosto, Raphael und Michelangelo machten ewige Werke, und arbeiteten
für die Unsterblichkeit. Der damalige Flor der griechischen Gelehrsamkeit war frei-
 
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