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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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Wiegand, Julius: Der Gegensatz als Mittel des Aufbaus im lyrischen Gedicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0175
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Der Gegensatz als Mittel des Aufbaus
im lyrischen Gedicht

Von

Julius Wiegand

Der Gegensatz als stilistisches Mittel (Antithese) und als technisches
Mittel des Aufbaus in Epik und Drama (Kontrastwirkungen) ist oft unter-
sucht worden. Seine Rolle im Aufbau des lyrischen Gedichts hat weniger
Beachtung gefunden. Es sei daher unsre Aufgabe, die auf dem Gegensatz
beruhenden lyrischen Formen festzustellen, vor allem bei Goethe und
Schiller, die Beobachtungen zum System zu runden, den gefundenen For-
men Namen zu geben und so beizutragen zur Formenlehre der Lyrik.
Selbstverständlich nehmen wir nicht an, daß all die aufgefundenen Ge-
staltungsmöglichkeiten den Dichtern bewußt gewesen sind. Noch weniger
beabsichtigen wir, Normen und Anweisungen für Dichter aufzustellen.
Berücksichtigung des Stofflichen, Inhaltlichen wurde möglichst vermieden.
An geschichtlichen Folgerungen wird nur soviel geboten, wie notwendig
ist, um zu zeigen, daß die gefundenen Unterschiede nicht belanglos sind.
Um Vergleichsmöglichkeiten zu gewinnen und etwaige Lücken des Sy-
stems zu schließen, sind einige neuere Gedichtsammlungen planmäßig
herangezogen worden: K. F. Meyers „Gedichte", Georges „Jahr der Seele",
von Dehmel „Hundert ausgewählte Gedichte" (1920), Rilkes Sammlung
„Mir zur Feier" (1900) und die beiden Inselbändchen mit Rilkes „Aus-
gewählten Gedichten". Darüber hinaus sind zahlreiche Stichproben ge-
macht bei Dichtern der vorklassischen Zeit und der unmittelbaren Gegen-
wart.

1. Wir beginnen mit Goethes „Gesetz der Trübe" (in „Gott und Welt").
Das Gedichtchen wird uns zugleich die Ausgangstatsache vermitteln, daß
es, auch außerhalb von Epigramm und Sinnspruch, Gedichte gibt,
die als einzigen Gegenstand die Durchführung eines
Gegensatzes haben.

Freunde, flieht die dunkle Kammer,
Wo man euch das Licht verzwickt
Und mit kümmerlichstem Jammer
Sich verschrobnen Bildern bückt.
 
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