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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0211
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BESPRECHUNGEN

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dagegen dem Logos vergewaltigt erliege. Weltanschauungen kann man meines
Erachtens nicht beweisen. Man kann mit mehr oder noch wahrscheinlicher min-
derem Ertrag wohl darüber diskutieren. Hier ist dazu nicht der Ort. Nur einige
Fragen seien Klages entgegengehalten und seinem Schülerkreis, der das iurare in
verba magistri nicht immer erfreulich und überzeugend betreibt; will man etwas
besonders eindrucksvoll vor Augen bringen, so bemüht man sich nicht mehr selbst,
sondern dann stellt wie ein noli me tangere ein Wort des verehrten Meisters zur
rechten Zeit sich ein.

Was versteht man denn eigentlich unter Christentum, was leidlich objektiv jen-
seits eines gerade zum Hausgebrauch geeigneten und mit jeder erdenklichen Ab-
neigung durchtränkten Begriffs liegt; denn Christentum ist nicht gleich Kirche für
den Nichtkatholiken, ist auch nicht Protestantismus usf. Ist ein Werkzeug zur
Lebensgestaltung wie der Geist darum untauglich, weil irgendwer es einmal oder
auch dauernd mißbraucht? Rührt der Klagessche Ekel nicht etwa daher, daß er
sich selber irgendwann am Geist übernommen hatte, und verabsolutiert er aus
seinen Untersuchungen und Überlegungen nicht an sich richtige Erkenntnisse
seinerseits in einem ganz lebensfeindlichen Sinn? Das Leben ist wohl reicher als
eine Summe von Geist und Seele und umfassender, als um sich nur aus einem
beider zu speisen. Man kann hier endlos weiterfragen und einwerfen ...

Mir liegt indessen daran, auf die vieles versprechende, in den vorliegenden
Heften durchaus fesselnde Schriftenreihe aufmerksam zu machen. Sie zu verfolgen,
möchte belehrend sein.

Karlsruhe (Baden). Emil Kast.

Mario Pensa: La letteratura tedesca contemporanea. Volume
primo. Bologna 1935 — XIII; Nicola Zanichelli.

Dieser erste Band von mehreren beabsichtigten beginnt mit einem Überblick
über die deutsche Literatur von 1910 bis 1935: Ausklang der Impressionskunst,
vorherrschender Expressionismus und von 1925 bis gegen 1932 Neue Sachlichkeit,
wonach mit dem Umbruch neues Schrifttum zum Lichte drängt, ohne aber vielfach
seine Herkunft verleugnen zu können. Wenn Pensa sich im Vorwort entschuldigt,
daß diese Aufsätze viele Einzelfragen außer Acht lassen, da sie zunächst der
Leserschaft einer Zeitschrift vorgelegt waren, so darf man ihn beglückwünschen,
daß er so umsichtige und fachlich wertvolle Arbeiten über einen nichtitalienischen
Gegenstand einem literarisch interessierten weiteren Kreis in Zeitschriften unter-
breiten kann.

Pensa unterbaut seine Darstellung mit Hinweisen auf die gleichzeitige philo-
sophische Lage des deutschen Geisteslebens und sieht die Entwicklung Rilkes als
besonders klaren Ausdruck des Übergangs vom Impressionismus zum Expressionis-
mus. Die immer stärkere Wendung zum Kosmischen ist das Entscheidende im
Denken und Dichten des einzelnen wie der Gesamtheit. Aus Beobachtung der Er-
scheinung wird Schau des Wesens. Das impressionistisch neoromantische Ich wird
abgelöst durch ein neues brüderliches Du und Wir. Pensa sieht als Merkmale
dieser Ausdruckskunst eine starke Verwandtschaft mit dem Barock des XVII. Jahr-
hunderts und die Formgebung einer „absoluten Kunst", abgelöst von der üblichen
Sprachform mit Artikel, Adjektiv und Konjunktion, verdichtet auf Verb, auf Hand-
lung und dynamische Intuition. Lyrik ist die eigentliche Ausdrucksform des Ex-
pressionismus. Pensa mustert die Träger wie die Absichten des Expressionismus
mit Kritik. Es ist interessant, daß eine Reihe von Ausdrücken der Kunstlehre
 
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