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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 31.1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.14170#0301
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Kurt Riezler: Traktat vom Schönen. Zur Ontologie der Kunst. Frank-
furt a. M.: Vittorio Klostermann 1935. 227 S.

Unter den Disziplinen der Philosophie erscheint gerade die Ästhetik durch eine
gewisse Starrheit der Fragestellungen bedroht. Wie schwer hat sie im Verlauf
ihrer Geschichte etwa an der irreführenden Theorie von der Kunst als Nach-
ahmung der Natur getragen Wie muß sie immer wieder mit dem Vorurteil ringen,
als ob Inhalt und Form in der Kunst sich trennen ließen Wie mühsam bahnt sich
in ihr, unter dem Übergewicht einer spiritualistischen Einstellung, die Philosophie
des künstlerischen Werkstoffs einen Weg! Und so wären noch viele Probleme zu
nennen, die sich unter dem wiederkehrenden Zwang erstarrter Fragestellungen nicht
recht entfalten können.

Angesichts einer solchen Gefahr der Problemerstarrung bedarf es der Auf-
lockerung. Hier greift Riezlers Traktat vom Schönen ein, der nicht ein System
entwerfen, nicht einmal irgendeine feste Antwort geben möchte, der sich vielmehr
zum hauptsächlichen Ziel gesetzt hat, Sinn für das im Schönen waltende Geheimnis
zu wecken und sich am Rand dieses Geheimnisses (so sagt er wörtlich) entlangzu-
tasten. „Die Philosophie stirbt im Verschleiern und lebt im Aufdecken der Frag-
lichkeiten", das ist der fruchtbare Grundsatz seiner Untersuchung (S. 93). In der
Kunst des Fragens hat sich Riezler an den Dialogen Piatons geschult; wie sie das
scheinbare Offenkundige in seiner Undurchdringlichkeit enthüllen und auf mannig-
fach verschlungenen Wegen bald dicht vor der Lösung zu stehen meinen, bald
wiederum den festen Boden verlieren, dann schließlich zu einem Ergebnis gelangen,
hinter dem eine überwältigende Ferne neuer Fragen aufleuchtet, das ist Riezler zum
bewegenden Erlebnis geworden. Wahrhaft bewegt ist seine sprachlich oft sehr
schöne Darstellung: er weiß Sätze zu bilden, die von der Spannung des Erkenntnis-
vorgangs selber geformt sind — Sätze, die gleichsam zögernd beginnen, dann be-
flügelnd weitereilen, dann besinnlich stillstehen, dann im offenen Tone, gleichsam
nach einer Fortsetzung begierig, schließen.

In dieser ihrer Art steht Riezlers Untersuchung charaktervoll-eigenständig in der
gegenwärtigen Ästhetik; darum mußte ausführlicher von ihrer Erkenntnishaltung
die Rede sein. Was aber ist in ihr der Gegenstand der Erkentnis und was ihr Er-
gebnis? Riezler fragt nach dem „Guten" in der Kunst. Wenn wir sagen: Dies
Werk ist gut und jenes ist weniger gut, so meinen wir damit offenbar mehr als die
größere oder geringere Sicherheit der technischen Ausführung; wir meinen damit
die gesamte seelisch-sinnliche Fülle des Werks, jene geheimnisvolle Kraft, die etwa
bewirkt, daß ein Drama von Shakespeare bedeutender ist als ein Drama von Grabbe.
Und nun möchte Riezler untersuchen, wodurch das Gute gut ist, und von vornherein
ist ihm klar, daß diese Untersuchung nicht nur die Kunst, sondern den Menschen,
das Leben, die Welt zur Rede stellt (S. 15). In dieser Gewißheit und in der daraus
folgenden Weite der Betrachtung ordnet sich Riezlers Darstellung den besten Be-
 
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