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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Damian, Erwin: Rilkes Gestaltung der Landschaft, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0167
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RILKES GESTALTUNG DER LANDSCHAFT

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an ihrem Gleichnis uns zu bilden. Der Ausdruck dieses Ringens ist die
Gestaltung der Landschaft als „Ding", der Aufbruch zu „einem lang-
samen Landschafts-Werden der Welt". So zeigt sich uns die Landschaft
als ein Hauptelement des Rilkeschen Schaffens, als Ziel seiner gesamten
dichterischen Entwicklung. Landschaft ist ihm schließlich alles, was in
mystisch-magischer Verbindung untereinander und losgelöst vom Mensch-
lichen besteht, und wenn er in den „Sonetten" und „Elegien" die „Erde"
nennt, so meint er damit die Durchdringung aller Bereiche, den Mittel-
raum zwischen Schein und Sein, die Heimat der Menschen und Engel.
Die einzelne Landschaft aber ist „Ding", mit allen Seinsbeziehungen —
„unendlich allein", das mit anderen Dingen wie der Mensch sich zurück-
gezogen hat in die gemeinsame Tiefe, „aus der die Wurzeln alles Wach-
senden trinken".

In der Sammlung „Larenopfer" überwiegt die Darstellung des Ob-
jektiv-Gegebenen einer Landschaft, die charakterisierende Beschreibung
ihrer optisch erlebten Wirklichkeit, die unmittelbar, zwar nicht ohne seeli-
sche Durchdringung und subjektive Anteilnahme, aber doch mehr von der
Erscheinung als vom Wesen her in ihrer reinen Gegenständlichkeit ge-
staltet wird. Es fehlt ihr noch die reife Schwere einer tieferen Einsicht in
den Ursprung der Dinge. Man hat diese ersten Gedichte, über die Rilke
später sehr abfällig urteilte, mit Recht in die Nähe Storms gerückt, hat
dabei aber, besonders in „Mittelböhmische Landschaft" das Realistische
in der Beschreibung etwas zu stark betont. Wie man bei den „Neuen Ge-
dichten" nicht von einem vollständigen Verlöschen des musikalischen Ele-
mentes sprechen kann, so darf man auch in diesen ersten Dichtungen das
Gefühlsgebundene, Romantisch-Verklärende nicht ganz übersehen. Die
Objektivität dieser ersten Stufe kann auch nicht als Vorstufe zu den „Neuen
Gedichten" angesehen werden. Es fehlt hier die bewußte sprachschaffende
Tendenz in der Gestaltung. Noch herrscht der einfache Vergleich vor der
Metapher, Gegenstand und inneres Bild stehen sich noch als zwei ver-
schiedene Beziehungsräume gegenüber. Erst die allumgreifende Wesens-
schau, in den Visionen des Stundenbuches geübt, ermöglicht eine tiefere
Einsicht, ein allseitigeres, plastisches Begreifen der landschaftlichen Ein-
zelheiten und damit auch eine plastisch-dynamische Auffassung der Land-
schaft als Ganzes. Rilke geht auch hier schon fragend von Ding zu Ding,
aber ihre Wirklichkeit ist noch zu sehr vom Schleier der Erscheinung ver-
deckt. Die Dinge sind hier noch Gegenstände, die man nur sinnlich von
außen begreifen und erfassen kann, die Gestalt, Klang und Farbe haben.
Die „großen Dinge", die nach einem chinesischen Weisen „jenseits der
Form entstehen und jenseits des Wandelbaren enden", treten noch nicht
in den Gesichtskreis der Gestaltung, sind aber im Keim (wie der „Engel"
in den Tonfigürchen der Friedhöfe) schon vorgebildet. Die Landschaft
 
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