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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Damian, Erwin: Rilkes Gestaltung der Landschaft, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0166
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Rilkes Gestaltung der Landschaft

Von

Erwin Damian

I. Frühstufe

In einem Aufsatz „Von der Landschaft" (abgedruckt im Inselalmanach
1933) gibt Rilke eine Entwicklung des Landschaftsgefühls von der An-
tike bis in unsere Zeit. Es lassen sich an dieser Betrachtung die Haupt-
abschnitte seines eigenen Landschaftserlebens und -gestaltens aufzeigen.
Die naiv-realistische Auffassung der Frühzeit, wo die Landschaft als das
den Sinnen Gegebene in ihrer einfachen Gegenständlichkeit erfaßt wird,
deckt sich mit dem griechischen Bild ihres Wesens. Von dieser Stufe aus
geht die Entwicklung weiter zum Erfassen der Landschaft als eines von
Symbolen erfüllten Raums und als romantisches Gleichnis menschlicher
Seelenzustände. Hier ist sie der Spiegel innerer Vorgänge oder Vertreterin
einer übersinnlichen Welt: „man malte die Landschaft und meinte doch
nicht sie damit, sondern sich selbst; sie war Vorwand geworden für ein
menschliches Gefühl, Gleichnis einer menschlichen Freude, Einfalt und
Frömmigkeit". In den Landschaftsschilderungen der „Prager Geschich-
ten" und der „Briefe und Tagebücher" wird dieser Übergang sehr deut-
lich. Das eigentliche Wesen der Landschaft liegt hier nicht im Gegenständ-
lichen, sondern in den geheimnisvollen Zusammenhängen der Dinge mit
der Seele ihres Betrachters. Man brauchte sie nur vom Subjekt loszulösen
und selbständig zu machen, um ihre besondere Gestalt und individuelle
Seele zu schauen. Diese Trennung des Gefühls von den Sinnen vollzog
sich im Stundenbuch: das Ergebnis, das Gefühl der Einsamkeit und
Fremdheit des Ich inmitten einer Natur, die ihr eigenes Leben hat, führt
zur entscheidenden Wendung, zur Gestaltung der Landschaft als „Bild"
und endlich zu ihrer dichterischen Neuschöpfung als „Ding" (vgl.Rehm1):
„Wirklichkeitsdemut und Dingmystik"). In Worpswede haben wir den
Umschwung dieser Entwicklung, den Höhepunkt der Spannung zwischen
Ich und Natur. Nun tritt an die Stelle ihrer heilenden und nährenden
Gegenwart die Spannung und Sehnsucht. Und das Ziel ist gesetzt, wieder
eins mit ihr zu werden, d. h. ihr Gesetz in unseren Willen aufzunehmen,

J) Walther Rehm: Wirklichkeitsdemut und Dingmystik. Logos Bd. 19.
Tüb. 1930.
 
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