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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Balet, Leo: Synthetische Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0124
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Synthetische Kunstwissenschaft

Von

Dr. Leo Balet (Leiden-Holland)

Unsere Problemstellung ist folgende: Soll die Kunstgeschichte (das
gleiche gilt für die Geschichte der Literatur, der Musik, des Tanzes, des
Theaters, der Mode usw.) bei ihrer fast exklusiven Einzelwissenschafts-
form und ihrer sogenannten „exakten" Methode beharren, oder soll sie
wenigstens für die Kunstperioden, die nach allen Richtungen durchforscht
sind, zu einer synthetischen Form weiterschreiten, die ohne dialektische
Methode nicht durchführbar ist?

Um Mißverständnisse vorzubeugen, werden wir zunächst präzisieren,
was wir unter den beiden Wissenschaftsformen und den beiden Methoden
verstehen.

Die Wissenschaftsformen unterscheiden sich folgendermaßen: Die
spezialisierte Kunstwissenschaft sucht eine Antwort auf die Fragen
„Was?" und „Wie?", sie will die Tatsachen „kennen"; die synthetische
Kunstwissenschaft sucht eine Antwort auf die Fragen „Warum?" und
„Wodurch?", ihr Zweck ist ein auf der Kenntnis der Tatsachen beruhen-
des „Verstehen" des Geschehens.

Die spezialisierte Kunstwissenschaft beschäftigt sich also ausschließ-
lich mit dem Feststellen und Umgrenzen der historischen Tatsachen, die
synthetische Kunstwissenschaft betrachtet die Tatsachen als feststehend
und will nunmehr darüber hinaus den logischen Zusammenhang zwischen
ihnen ermitteln.

Die Einzelwissenschaft beschränkt sich strengstens auf ihr eigenes
Gebiet, wie der Name übrigens besagt. Alles, was außerhalb ihres Gebiets
liegt, geht sie nichts an, es ist Sache der angrenzenden Einzelwissen-
schaften.

Die synthetische Kunstwissenschaft beschränkt sich nicht auf ihr
eigenes Gebiet, sie bleibt zum Beispiel nicht stehen bei den Zusammen-
hängen zwischen den Werken der bildenden Kunst unter sich, sie inter-
essiert sich ebenso sehr für die Zusammenhänge zwischen den gebieteige-
nen und den gebietfremden Tatsachen.

Das soll aber nicht heißen, daß die synthetische Kunstwissenschaft das
Bestreben hat, zur alten Universalwissenschaft, aus der die Einzelwissen-
 
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