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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0187
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für die sich so viele der gegenwärtigen Systeme der Ästhetik entscheiden, um die
Einheit und die ausdrückliche Beschränkung des Aufbaues zu sichern, muß nach
meiner Meinung immer verurteilt werden. Ein beschränktes Material und wenige
Methoden können natürlich nur beschränkte Bilder aus dem weiten Gebiet der
ästhetischen Probleme vor Augen führen. Es sind zweifellos nur besondere, be-
schränkte Gesichtspunkte aus der ganzen, wahren Masse der Erscheinungen, die,
um gekannt zu werden, einer einzigen adäquaten Methode bedürfen, die mit Folge-
richtigkeit und Ausschließlichkeit gehandhabt werden muß. Wer aber ein möglichst
umfassendes Bild seiner Wissenschaft und deren modernen Ergebnisse entwerfen
will, wird natürlich keinen der Forschungswege verabscheuen, deren Natürlichkeit
klar zu Tage liegt" (Seite 37—38).

Betreffs des theoretischen Charakters der Ästhetik steht Vianu auf dem Stand-
punkt, daß die Ästhetik nicht nur mit Feststellungen arbeitet, sondern auch eine
Wissenschaft ist, die mit Normen und Vorschriften arbeitet, die uns sagen,
„wie der Bau des Kunstwerkes ist und wie sich das Schaffen des Künstlers und die
Anschauung des Liebhabers entwickeln muß". Für diese Paarung der Feststellung
und der Erklärung mit der Normgebung findet Vianu den Grund in „der grund-
legenden Tatsache ..., daß die Kunst eine geschichtliche, dem Einflüsse der sozialen
Bewegungen und Lebensbedingungen unterworfene Wirklichkeit ist, aber zugleich
auch, als einfacher ästhetischer Aufbau betrachtet, eine unabhängige, der Bewegung
und dem geschäftlichen Relativismus überlegene und nur von den immanenten
Normen festgestellte Einheit bildet". Vianu fügt hinzu, daß, wie sehr auch die
moderne Richtung der bloßen Erklärung betont sein mag, diese dennoch die Richtung
des Normalisierens nicht zurückdrängen wird. Allerdings begnügen sich manche
Wissenschaften mit bloßen Erklärungen; es gibt aber auch andere, die die Normen
nicht entbehren können, und zu diesen Wissenschaften gehört gerade die Ästhetik.
Die Normen betreffen sowohl das künstlerische Schaffen wie auch die Betrachtung.

Nach der Klärung dieser Vorfragen beschäftigt sich Vianu mit den eigentlichen
ästhetischen Problemen. Unserem Verfasser nach bildet das künstlerische Schöne
einen Wert, und zwar einen ästhetischen Wert. Er macht einen scharfen Unterschied
zwischen Gütern und Werten: „Die Güter sind Gegenstände der konkreten Erfahrung,
mit deren Hilfe man gewisse Bedürfnisse unserer physischen oder moralischen
Person befriedigt. Die Werte sind aber ideale Kategorien, durch die die gegebenen
Rohtatsachen des Seins sich in Güter verwandeln." Die Rolle des Geistes ist wesent-
lich für den ästhetischen Wert, wie übrigens für jedweden Wert; der Gegenstand
wird dann ästhetisch, wenn wir ihn durch einen Vorgang der Erkenntnis dem
ästhetischen Wert unterordnen. Die Dinge, mit denen die ästhetischen Werte in
Zusammenhang stehen, werden in Güter verwandelt, nicht aber in Werte. Zwischen
„Wert" und „Gut" gibt es grundlegende Unterschiede. Was an dem ästhetischen
Werte teilnimmt, sind nicht die Dinge, noch die als das Gegebene einer praktischen
Erfahrung betrachteten Tätigkeiten, sondern ihre Erscheinung. Nicht das Bild, nicht
das Standbild, nicht das Spiel des Künstlers an sich sind schön, sondern nur die
Art, in der sie erscheinen, das heißt, jene idealen Wirklichkeiten in Zusammenhang
mit dem Bewußtsein, denen wir gar keine Existenz mehr zuschreiben könnten, so-
bald der Funke der Erkenntnis erlischt. Was sich also unter dem Einflüsse des
ästhetischen Wertes in Güter verwandelt, sind also nicht die Gegenstände, sondern
nur gewisse Erscheinungen der Erkenntnis" (S. 65).

Zum Bau des Kunstwerkes übergehend, erörtert Vianu das Problem des Ver-
hältnisses zwischen Kunst, Technik und Natur, ebenso das des Verhältnisses zwi-
schen Form und Inhalt, um sich dann umfassender mit den aufbauenden Momenten
 
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