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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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Hartlaub, Gustav Friedrich: Der Paris-Mythos bei Giorgione: eine Vermutung
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Hartlaub, Gustav Friedrich: Allegorie als Traum und als Leben
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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0278
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aussetzungen der Allegorie, ihr Verhältnis zu dem älteren, symbolischen Vorstellen
und zu seiner Krisis in der Renaissance. Und in der naturgemäß einen großen Raum
einnehmenden Erörterung der Trionfi, der wirklichen Aufzüge und der g e -
malten, zeigt sie endlich eine beispielhafte Beziehung von künstlerischer Vision
und wirklichem Leben. —

Die Medicigalerie diente der Apotheose, und zwar der weltlichen,
politischen, monarchischen; es muß hinzugefügt werden, daß angesichts
der kaum voll zulänglichen, wenig vom Glück begünstigten, dennoch höchst selbst-
bewußten Persönlichkeit der Gefeierten die Apotheose zugleich eine Apologie
geworden ist, zu der sich Rubens jedoch aus Überzeugung, keineswegs aus höfischer
Schmeichelei bekannt zu haben scheint. Das Leben der Königin und ihre darin
offenbarte Persönlichkeit, so wie sie selber und ihre Anhänger beides zu sehen
wünschten, ist in seinen wichtigsten Augenblicken und Wirkungen zyklisch dar-
gestellt worden. Oft waren bestimmte, schwerwiegende Ereignisse zu schildern, und
sie mußten erkennbar bleiben. Aber auch dann sollten keine „Historienbilder" ge-
geben werden, die zeigten, wie es bei jenen Gelegenheiten aussah oder doch hätte
aussehen können und sollen, sondern stets handelte es sich um „Verklärungen":
um das Zusammenwirken einer idealen Überwelt mit dem tatsächlichen Geschehen,
um eine teilnehmende Begegnung des irdischen Ablaufs mit einer Ordnung der Werte,
wie sie den Vorstellungen einer Staatsphilosophie des 17. Jahrhunderts und den
besonderen Regentschafts-Wunschbildern der Königin entsprechen mochten. Diese
Überwelt ist allegorisch in Personifikationen angedeutet, deren Erscheinung
durchgängig der antiken Mythologie entnommen ist — einer besonderen Phan-
tasiesphäre, die vorzugsweise dann in eigentümlicher Weise aufgerufen werden
konnte, wenn es galt, Ideale der weltlichen Macht und ihres „Kultus", vor allem also
monarchisch-absolutistische Ideale, sichtbar zu machen und zu feiern.

Solche Funktionen durften die humanistisch gemeinten, barock vorgestellten
Götter und Halbgötter natürlich offiziell gerade darum ausüben, weil ihnen
selber kein anerkanntes, eigentliches, bewußtes religiös-numinoses Gewicht
mehr innewohnte. Indessen noch das Mittelalter hatte gewissermaßen an die antiken
Olympier und Naturwesen „geglaubt", freilich nur als Dämonen, als verdrängte,
verbotene Mächte oder in ihrer astralen Existenzform, wie sie der Verstirnungs-
prozeß der Spätantike geschaffen hatte. In der eigentlichen Renaissance, im Bereiche
des „universalen Theismus" der Humanisten, hatte es zugleich mit der Neubelebung
jener dämonischen Kosmologie sogar auch Ansätze zu einem romantischen Wieder-
erstehen des „Olymp" gegeben — freilich nicht in naiver Ausschließlichkeit eines
wirklichen Glaubens an seine göttlichen Personen, sondern mehr im Sinne eines
theosophischen Synkretismus, der in allen scheinbar so verschiedenartigen Mythen
und Mysterien nur Gestaltwerdungen der gleichen kosmisch-moralischen Ur-
potenzen erkennen wollte. Nur und gerade wegen dieses gleichsam „magischen",
unterirdischen Zaubers, der mit ihnen fortbestand, hatte die Gestaltenwelt des Olymps
und der Erde, hatte auch die Fabelwelt der heidnischen Sphära suggestive Weihe
genug behalten, um sich gleichsam als ein besonderer Himmel des welt-
lichen Herrscherkultus zwischen das gemeine Zufalls-Diesseits und das Jenseits
des dogmatisch-christlichen Glaubens ausspannen zu können. Keineswegs handelte es
sich also, selbst noch bei Rubens, um rein herkömmliche Metaphern höfischer Gelehr-
samkeit; nicht bloß wegen ihrer gelehrten Fremdartigkeit „imponierten" die heid-
nischen Gebilde. Als Bilder für abstrakte, aber furchtbar ernst genommene Ideen
konnten sie nur deshalb so geläufig hingenommen werden, weil immer noch die
Ahnung bestand, daß die längst religiös Depossedierten einst nicht nur „bedeutet",
 
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