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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 32.1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.14217#0192
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WalterGoetz: DasDantebildnis. Hermann Böhlaus Nachf. Weimar 1937.

Über das Aussehen Dantes wissen wir verhältnismäßig gut Bescheid. Die Glaub-
würdigkeit der Zeugnisse (Skelett, Bildnis und zeitgenössische Schilderung) ist keines-
wegs von der Hand zu weisen. Gewisse Unstimmigkeit darüber, ob die Divergenz
zwischen Unter- und Oberlippe, die dem Gesicht das persönliche Gepräge gegeben
haben muß, durch Hervorstehen der oberen über die untere oder umgekehrt sich er-
geben hat, scheint nicht von Bedeutung und muß in einem Fall auf Verwechslung
beruhen. Woher kommt es aber, daß uns das zeitgenössische Danteporträt trotz aller
Treue so wenig befriedigt? Und nicht nur uns, sondern schon die kommende Gene-
ration? Es erscheint daher keineswegs abwegig, wenn der Verfasser den Versuch
macht, nicht das wirkliche Bildnis Dantes, wie es uns überliefert ist, zur Grundlage
seines Buches zu machen, sondern das „endgültige", das sich im Laufe der Zeit als
Vorstellung aus dem überlieferten und der Anschauung, die wir von dem Dichter und
Menschen haben, entwickelt hat.

So wenig aber ein sogenanntes „literarisches Porträt" uns ein wirkliches Bild
eines Dichters liefert, so wenig führt uns ein solches bildmäßiges Danteporträt dem
Dichter des Inferno irgendwie näher. Es zeigt aber eines deutlich: daß wir nämlich
in den Jahrhunderten bisher noch keinen einwandfreien Weg zu dem Kunstwerk und
seinem Schöpfer gefunden haben, weil wir es ablehnen, den direkten, den über Giotto,
zu gehen. Wir behaupten, das Bildnis Giottos könne nicht ähnlich sein, weil die darin
liegende Zagheit der divina commedia nicht entspräche. Wir machen mit Lionardo
Bruni Aretino der Lebensbeschreibung Boccaccios den Vorwurf, mit Unrecht „das
Schwere und Inhaltvolle dieses Lebens mit Schweigen übergangen" zu haben. Wenn
aber gerade unsere Auffassung von Dante nun falsch ist? Was hindert uns eigentlich
immer, den Versuch zu machen, einmal mit Giotto und mit Boccaccio die „Göttliche
Komödie" zu lesen? Dies bleibt eine bisher ungelöste Aufgabe. Aber gerade das vor-
liegende Buch mit seinem abgezogenen Idealbild der späteren Jahrhunderte könnte
uns dazu helfen, vor dem Widerspruch zwischen uns und Giotto nicht einfach die
Waffen zu strecken, sondern dem Rätsel auf den Grund zu gehen und das Zeitbild
Dantes, das heißt: den Stil und die Weltanschauung des 14. Jahrhunderts, dessen
genialster und somit auch folgerichtigster Vertreter er war, herauszuschälen.

Schwerin. Margarete. Riemschneider-Hoerner.

P. Johansen: Renaissance. Entwicklung der künstlerischen Probleme in
Florenz-Rom von Donatello bis Michelangelo. H. Hagerup (Kopenhagen) und
Otto Harrassowitz (Leipzig) 1936. 396 S. mit 284 Abb. im Text. 4°.

Den Anreiz zur nachfolgenden Würdigung des Buches hat sein Untertitel ge-
boten, da die Fragestellung sich mit zwei vormals an dieser Stelle von mir bespro-
chenen Werken zu berühren scheint. Bei näherem Zusehen wird man darin freilich
alsbald enttäuscht. Johansen unterwirft weder wie Fr. Landsberger (vgl. Zeitschr.
f. Ästhetik u. allgem. K.Wiss. 1923, H. 2) die künstlerischen Einzelaufgaben der
Renaissance einer systematischen noch wie D.Frey (vgl. ebenda 1929, H. 1) einer
geistesgeschichtlichen Betrachtungsweise. Diese bleibt vielmehr eine kunst-, ja eine
künstlergeschichtliche mit Beschränkung auf die allein als führende anzuerkennenden
Meister, wenngleich unter ästhetischen Gesichtspunkten und nicht nur unter stän-
diger Bezugnahme auf Vasari, sondern auch unter gelegentlicher auf die Theoretiker
(Alberti, Lionardo u. a. m.). Die Probleme werden durch die Grundbegriffe „Form,
Raum, Bewegung, Ausdruck, Rhythmus und somit Leben, Gefühl, Handlung" ge-
kennzeichnet. Ein vertieftes Verständnis der Kunstentwicklung und zumal der einzel-
 
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