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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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Hennig, Richard: Beiträge zur musikalischen Aesthetik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0032
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RICHARD HENNIG

Es kann und soll dem Andenken der großen Meister nicht den gering-
sten Abbruch tun, wenn man ihnen hier und da ungewollte Entlehnungen
nachzuweisen vermag. Die Feststellungen solcher Entlehnungen gewäh-
ren aber immerhin einen kleinen Einblick in die Werkstatt des schaffen-
den Genies, indem sie erkennen lassen, daß manche Eindrücke lebhaft
und lange genug in der Erinnerung haften, um schließlich als Produkt
des eigenen Geistes angesehen und in ehrlicher Überzeugung benutzt zu
werden. Und entscheidend bleibt ja doch immerhin, was eine schöpfe-
rische Phantasie aus einem Thema oder einer Melodie zu machen weiß.
Wie das schlichte Thema aus Mozarts „Bastien und Bastienne" in Beet-
hovens „Eroica" zu heroischer Bedeutung emporgewachsen ist, wie das
hübsche alte Weihnachtslied „Josef, lieber Josef mein" durch Regers
Verwendung in „Mariä Wiegenlied" in die Sphäre hoher meisterlicher
Kunst emporgehoben worden ist, so kommt es auch sonst vor allem dar-
auf an, was ein Meister mit einer Anregung anzufangen weiß. „Fremde
Schätze bescheiden zu borgen" schien ja schon einem Lessing literarisch
erlaubt, und wie hat etwa dieser große Geist aus der altindischen Fabel
von den drei Ringen eine erschütternde religionsphilosophische Betrach-
tung zu gestalten verstanden! Genau so ist es in der Musik!
 
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