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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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San Lazzaro, Clementina di: Die Kunstkritik R. M. Rilkes und sein "August Rodin"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0033
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Die Kunstkritik R. M. Rilkes und sein „August Rodin"

Von

Clementina di San Lazzaro

Unter den Dichtern, deren Beziehungen zu den bildenden Künsten einen
entscheidenden Einfluß auf ihren Entwicklungsgang und auf ihre Dich-
tung gehabt haben, beansprucht Rilke eine hervorragende Stellung.

Eine ungefähr gleiche Bedeutung, wie für Goethe zuerst der Straß-
burger Dom und später die Plastik der Antike, wie für C. F. Meyer die
Statuen und die Freskomalereien Michelangelos, hat für den modernen
deutschen Dichter die Kunst Rodins gehabt; eine sogar um so größere,
insofern die Bewunderung des Werkes durch eine tiefe Gemeinschaft und
ein langes Zusammensein mit dem Künstler selbst ergänzt wurde; sich
nicht nur auf Vollendetes, sondern auch auf viel Werdendes bezog. —
Man muß übrigens erwähnen, daß die künstlerische Veranlagung Rilkes,
im Gegensatz zu der Goethes, ursprünglich musikalisch, von jedem plasti-
schen Begriff weit entfernt war, so daß in diesem Fall die Begegnung des
dichtenden mit dem bildenden Künstler aus dem Instinkt einer notwen-
digen Verwandlung, eines zu ersetzenden Mangels, einer strengen Er-
ziehung hervorging und ihn von der Gefahr der Verschwommenheit ret-
tete und zu einem erstaunlich plastischen Ausdruck in den „Neuen Gedich-
ten" führte.

Es gehört nicht hierher, auf die Einzelheiten dieses für die Geschichte
der deutschen Dichtung so bedeutungsvollen Verhältnisses Rilkes zu Rodin
näher einzugehen, und es würde die Grenzen unserer Behandlung über-
schreiten, wenn wir Rilkes Stellung zu den Erzeugnissen der Malerei und
der Bildhauerkunst überhaupt von Urteil zu Urteil verfolgen, und sein
Interesse dafür wie sein Temperament und seine Methode als Kunstkritiker
aus den unzähligen Stellen seines Werkes heraus, die sich auf die verschie-
densten Kunstobjekte beziehen, erörtern möchten.

Schon der Briefwechsel allein würde ein sehr zahlreiches Material zu
solcher Untersuchung darbieten; hier sei nur darauf hingewiesen, daß
eben daraus wie aus dem Essay über die Worpsweder Maler und aus dem
vom Dichter lang gehegten Vorsatz, Monographien über Leonardo und
 
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