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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0125
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Besprechungen

Max Kommereil: Lessing und Aristoteles; Untersuchung über die
Theorie der Tragödie. (Frankfurter Wissenschaftliche Beiträge, Kulturwissen-
schaftliche Reihe, Band 2.) Verlag Vittorio Klostermann, Frankfurt a. M. 1940.
316 S.

Von Lessings Kampf gegen Corneille geht das Buch aus, der Hauptteil bemüht
sich um eine Klärung der wichtigsten Begriffe der Tragödie, die in diesen Angriffen
bzw. in der Poetik des Aristoteles eine Rolle spielen; die Begriffsuntersuchung aber
weitet sich aus zu einer Schau der geistesgeschichtlichen Stellung der drei Großen —
Aristoteles, Corneille und Lessing — und ihres Wollens. Im Ergebnis zeigen sich
Blickrichtungen an für eine neue Gesamtdeutung der aristotelischen Poetik (und dar-
über hinaus der gesamten Philosophie des Aristoteles) und für die große Aufgabe
einer Geschichte des Aristotelismus.

Von Lessing geht der Verfasser aus, aber er wagt sich tief hinein in. das:
schwierige Gebiet der Interpretation der aristotelischen Poetik; man spürt deutlich,
wie ihm aus dem Studium der Beziehungen heraus das Interesse wächst an den ver-
handelten Begriffen selbst, was zwangsläufig zu einer eingehenden Aristoteles-Inter-
pretation führt, obwohl der Verf. Germanist, nicht Gräzist ist. Dieser Einschränkung
ist er sich aber durchaus bewußt und bittet in seinem Vorwort: „Wo der Verfasser,
der sich leider oft von der Fachliteratur verlassen sah, das Richtige traf und wo .er es
verfehlte, hofft er von den Zuständigen Belehrung" (S. 7).

In der Tat können auch die neusten Übersetzungen und Kommentare der Poetik
(Rostagni, Gudeman, Nestle) nicht wirklich befriedigen. Das vorliegende Buch be-
deutet jedenfalls einen Fortschritt in der Poetik-Auslegung, sodaß jeder zukünftige
Aristoteles-Kommentar es berücksichtigen muß. Wenn mir auch Kommereils lebhafte
Ablehnung der Hypothese, der Poetiktext sei „der Torso eines Kollegienheftes", wie
Gudeman sagt, ungerechtfertigt scheint, wenn auch m. E. die von ihm als „unmög-
liche Formulierung des modernen Voluntarismus" bezeichnete Übersetzung des Pa-
thosbegriffes durch Vahlen und Gudeman als „leidvolle Tat" so in sich widerspruchs-
voll, wie Kommerell meint, sicher nicht ist, wenn mir auch die Beziehung zu Plato
stärker erscheint als Kommereil es zulassen will, wenn auch der Verf. sich in ver-
schiedenen Abschnitten des Buches in Einzelheiten zuweilen widerspricht1), so schmä-
lert das in nichts den Wert der Interpretation der Hauptbegriffe xä^agäig, eAeog, i){h),
äßagtla, fiv&og, ndftog, itxög, ävayy.aiov.

Als besonders wichtig für Aristoteles stellt sich außerdem einleuchtend heraus
der Begriff des Wissens und Nichtwissens. Das Wissendwerden ist, wo es in der Tra-

J) Sollte vielleicht das Buch in seinen Teilen getrennt voneinander entstanden sein
und eine letzte glättende Hand fehlen? Letzteres würde auch eine Reihe satzbaulicher
Unmöglichkeiten und die vielen Druckfehler erklären.
 
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