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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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Kühne, Otto: Schöne Kunst und Lebenskunst: Betrachtungen zu Schillers Lebensauffassung im Lichte der Polaritätstheorie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0075
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Schöne Kunst und Lebenskunst

Betrachtungen zu Schillers Lebensauffassung im Lichte
der Polaritätstheorie

Von
Otto Kühne

Aufgabe der schönen Künste ist es offenbar, das Leben des Einzelnen
und damit auch das der Gemeinschaft zu verschönern, während sich die
(gesellschaftliche und damit politische) Lebenskunst zum Ziele gesetzt
hat, die Lebenskräfte schlechthin — zunächst der Gemeinschaft und damit
auch die des Einzelnen — bestmöglich zu steigern. Was schön oder nicht-
schön ist, ist zunächst an das individuelle (Geschmacks-) Empfinden des
Einzelnen gebunden und daher generell und objektiv schwer feststellbar...
de gustibus non est disputandum. Was hingegen politisch „richtig" oder
„falsch" ist, nimmt seinen Maßstab in erster Linie stets da her, ob und
inwieweit es den Belangen der (Volks-) Gemeinschaft dienlich ist oder
nicht. Für die schönen Künste wird daher die Gemeinschaft mehr zu einem
bloßen Mittel für den individuellen Lebenszweck, während für die poli-
tische Lebenskunst das Gemeinschaftsstreben mehr zum Selbstzweck wird.

Beiden „Kunsf'-Bereichen ist jedoch gemeinsam, daß sie stets auf
das Leben ausgerichtet sind, d. h. vom Leben ausgehen und zum Leben
wieder zurückführen. Der Lebensbegriff steht somit für beide Künste im
Mittelpunkte alles Empfindens bzw. Denkens und Handelns. Was ist
nun das — insbesondere gesellschaftliche — Leben?

Die Frage: „Was ist Leben?" hat sich bis heute noch nicht einwand-
frei beantworten lassen, zumal eine klare faktische und damit auch be-
griffliche Grenzscheide zwischen Leben und Nichtleben immer noch
nicht hat gefunden werden können. Das innere „Was" des Lebens läßt
sich daher nach wie vor zunächst nur durch das äußere „Wie" seiner fak-
tischen Erscheinungsmerkmale erfassen. Das bedeutet: Die Wesenseigen-
tümlichkeit alles Lebens ist vorerst nur aus seinen Lebenserschei-
nungen, in denen es zu uns spricht, zu erkennen. Der Grundcharakter

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft XXXVI. 5
 
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