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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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San Lazzaro, Clementina di: Die Kunstkritik R. M. Rilkes und sein "August Rodin"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0042
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CLEMENTINA DI SAN LAZZARO

zip selbst einer solchen scharf umgrenzten Bewegung läßt vor Rilkes
Augen das Leben der klassischen Kunstwerke als jenes einer alten Stadt
erscheinen, die nichts von sich über die Mauern hinausgehen ließ.

Auch der Eindruck der physischen Leichtigkeit bei Rodins „Balzac",
der Eindruck eines Körpers, welcher mit wunderbarer Gewandtheit von
einer ungeheuren Seele im Raum gestützt und gehalten wird, verwandelt
vor den Augen Rilkes den zurückgeworfenen Kopf der Statue in eine
„jener Kugeln, die auf den Fontänen tanzen". Und viele viele andere Bei-
spiele könnten wir noch anführen zum Beweis der organischen, bildlichen,
unmittelbaren Weise, womit Rilke die Werke der bildenden Künste — wie
sonst auch jede Erfahrung, jedes Ereignis, jede Form des Daseins selbst
erlebt.

In Beziehung zu einer solchen dynamischen Deutung, zu dieser un-
unterbrochenen Bewegung der Empfindungen, der Eindrücke und Gleich-
nisse, die einander nachjagen, sich wiedergebären, durchkreuzen, ergän-
zen und umgestalten und die bei ihrer Entstehung und Verwandlungen
selbst erfaßt und festgehalten werden; in Beziehung zur aktiven Darstel-
lungsart, - zum Sich-Vergegenwärtigen einer ausgelebten Vergangenheit
steht der häufige Gebrauch von Zeitwörtern an Stelle der Substantiva,
von substantivierten Infinitiven, von absichtlich geprägten, zusammen-
gesetzten oder elementaren einfachen und doch umfangreichen und um-
fassenden Wörtern, womit der Dichter«die wesentliche göttliche Einfach-
heit von Rodins Ich, Arbeit und Werk, ihre elementare Primitivität, ihren
in ursprünglichem Sinn schöpferischen Charakter zu betonen beabsich-
tigt hat.
 
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