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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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Wiegand, Julius: Beginn und Ende lyrischer Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0060
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50 JULIUS WIEOAND, BEGINN UND ENDE LYRISCHER GEDICHTE

irgend einer Art kräftigen Endes, mit Abbrechen auf dem Höhepunkt,
Lösung der Spannung, unerwartetem Einfall usw.: Meyer, „Lieder-
seelen", „Der schöne Tag"; Goethe, „Juni". Kräftiger Einsatz und kräf-
tiges Ende verbinden sich oft (George, „Traum und Tod"). Leiser Ein-
satz und verklingendes Ende sind selten verbunden und entsprechen dann
gewissen Inhalten: Goethe, „Grenzen der Menschheit". Inhalt, Gedan-
kengehalt, Ton, Gesamthaltung einerseits und Beginn und Ende ander-
seits stehen überhaupt selbstverständlicherweise in Einklang. Daß Goe-
thes „Vorklage" mit Gegensatz beginnt und mit Spitze endet, Goethes
„An die Günstigen" mit Sentenz beginnt und endet, weist auf ihren Cha-
rakter als Einleitungsgedichte, Widmungsgedichte, auf ihren gesellschaft-
lichen Charakter hin. — Ob zwischen Lied und Hymne und derartigen
Unterarten Unterschiede bestehen, vermag ich noch nicht zu sagen. Goe-
thes freirhythmische Gedichte haben zumeist ungekünstelte und natürliche
Anfänge und Abschlüsse. Aber Klopstocks Oden bedienen sich künst-
licherer, bewußterer, rhetorischerer Einleitungen und Schlüsse. Es hängt
dies also anscheinend mehr von der Persönlichkeit des Dichters als von
der Unterart ab. Wie es denn sicher noch eine reizvolle Aufgabe sein
wird, das Verhältnis von Dichtern, Gruppen und Zeiten zu Gedicht-
beginn und -ende zu untersuchen, wozu im Vorausgehenden hie und da
ein Beitrag geliefert wurde, während die Aufgabe als Ganzes über den
Rahmen dieser Arbeit hinausgeht.
 
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