Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

DOI Artikel:
Kühne, Otto: Schöne Kunst und Lebenskunst: Betrachtungen zu Schillers Lebensauffassung im Lichte der Polaritätstheorie, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0088
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
78

OTTO KÜHNE, SCHÖNE KUNST UND LEBENSKUNST

men, anerkannt und — eben durch seine gemeinschaftsentsprechende Ver-
wendung — zur gegebenen Zeit wieder eingelöst werden. Dann brauchen
wir mit Schiller auch nicht zu befürchten, daß wir bisher nur „Knechte
der Menschheit" gewesen sind, und nur „einige Jahrtausende lang die
Sklavenarbeit für sie getrieben haben ..., damit das spätere Geschlecht in
einem seligen Müßiggange seiner moralischen Gesundheit warten ...
könnte" (S. 26). Die menschliche Persönlichkeit — darin liegt Schillers
HgävovyjEvdog beschlossen — ist eben nicht bloß ein willfähriges und zu-
fälliges N a t u r geschöpf und -produkt, das sich von den Schicksals-
mächten des Ganzen willenlos treiben läßt, sondern zugleich ein mit einem
freien Willen ausgestatteter schöpferischer Geist, der sich die Natur-
und Gesellschaftskräfte soweit wie möglich — eben im Gemeinschafts-
sinne — dienstbar zu machen sucht. Nicht darauf allein kommt es somit
an, „die Totalität unserer Natur, welche die Kunst (sc. des Geistes)
zerstört hat, durch eine höhere (sc. Lebens-)Kunst wiederherzustellen"
(S. 26); denn das hieße nur, die Totalität der Natur gegen die Individuali-
tät des Geistes dialektisch ausspielen, obwohl der Sinn aller wahren
Lebensgemeinschaft und Menschenbildung doch nur darin bestehen kann,
Natur und Geist in ein harmonisches Gemeinschaftsverhältnis zueinander
zu setzen. Nicht die Natur allein ist es eben, wie Schiller behauptet, die
„uns in ihrer physischen Schöpfung den Weg vorzeichnet, den man
in der moralischen zu wandeln hat" (S. 27), sondern Natur und
Geist tragen als die unzertrennlichen Grundkräfte alles menschlichen
Lebens beide — jede zu ihrem Teile — dazu bei, uns den Weg zu
eröffnen, welcher zu einer „höheren" Gemeinschaftskultur führt.

(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen