ZUR PSYCHOLOGIE UND ÄSTHETIK DER REIMFINDUNG 87
chen „Zur Warnung". — Man hört förmlich die lallende Zunge des Be-
zechten aus den fast sinn- und zusammenhanglosen Reimklangbildern her-
aus („Nachtigall — Wasserfall — ebenfalls — Wendehals — Wendehals
— Tanzen — Pflanzen — Wasserfalle"). Aber der dem etwaigen alkoho-
lischen „Grunderlebnis" hinzugefügte „Rahmen" macht das Ganze sofort
zu einem kleinen Schmuckstück.
Bisher hat uns der Reim — als Ziel der „Reimfindung" — fast nur
wie ein herausgelöstes Gebilde eines größeren Wort- und Sinnzusammen-
hanges beschäftigt. Das war, in gewissem Sinne, unnatürlich: schließlich
ist auch das reimende Wort nur ein, freilich sehr wichtiger, Bestandteil
jener gereimten Verszeilen, in denen es sich findet. Wir stellen ihn jetzt
wieder in seine natürliche Umgebung hinein, die notwendigerweise sprach-
lichen Zusammenhang und gedanklichen Sinn einschließt. Zwischen Reim
und Sinn bzw. Wortwahl läßt sich daher eine mehr oder minder innige
Beeinflussung vermuten; schon rein psychologisch!
Diese ist in der Tat nachweisbar und tritt — sofern hier ein Minimum
gedanklicher Stilisierung gestattet ist — in einer Doppelgestalt vor
uns hin: Entweder der Reim wirkt auf den Sinn (und die sinnvolle Wort-
wahl), oder der Sinn wirkt auf den Reim!... Wir müssen uns hier, aus
Raumgründen, freilich ganz besonders kurz fassen.
Der erste Fall: Der gewählte Reim beeinflußt den (ursprünglich
„in Aussicht genommenen") Sinn! — Es muß hier gleich bemerkt wer-
den, daß, wie schon oben angedeutet wurde, eine wahrhafte „gedankliche
Umprägung" zugunsten der Erhaltung des Reimes, bei einigermaßen vers-
und reimgewandten Personen wohl nur ganz selten stattfindet. Immerhin
können diese Extreme doch wohl den Rang von „Grenzwerten" beanspru-
chen, denen die psychische Wirklichkeit gewissermaßen „zustrebt". —
Eine eigentliche Wertung des so beschriebenen Vorganges ist hiemit noch
nicht beabsichtigt!
Dieser Beeinflussungen des Verssinnes und seiner Vorstellungswelt
vom gewählten Reimwort her (das es zu erhalten gilt!) gibt es eine ganze
Reihe: nachträglich beigebrachte Umschreibung; leichte Abbiegung; Kon-
kretes statt Abstraktes (oder umgekehrt!); Fallenlassen oder Hinzufügung
von Worten u. dergl. mehr.
In allen diesen Fällen zeigt sich natürlich die ganze Diktion mehr
oder minder stark beeinflußt: das Bestreben, ein bestimmtes Reimwort in
seiner Existenz zu erhalten, wirkt vielfach umgestaltend auf alles Vorher-
gehende ein.
Dem Reim, natürlich auch dem Vers zuliebe, wird etwa die Aus-
drucksweise ungewöhnlich kompliziert (um „auszufüllen"), oder einfacher,
ja überaus einfach: sie erstarrt zur Hieroglyphe, sie schrumpft zusammen
chen „Zur Warnung". — Man hört förmlich die lallende Zunge des Be-
zechten aus den fast sinn- und zusammenhanglosen Reimklangbildern her-
aus („Nachtigall — Wasserfall — ebenfalls — Wendehals — Wendehals
— Tanzen — Pflanzen — Wasserfalle"). Aber der dem etwaigen alkoho-
lischen „Grunderlebnis" hinzugefügte „Rahmen" macht das Ganze sofort
zu einem kleinen Schmuckstück.
Bisher hat uns der Reim — als Ziel der „Reimfindung" — fast nur
wie ein herausgelöstes Gebilde eines größeren Wort- und Sinnzusammen-
hanges beschäftigt. Das war, in gewissem Sinne, unnatürlich: schließlich
ist auch das reimende Wort nur ein, freilich sehr wichtiger, Bestandteil
jener gereimten Verszeilen, in denen es sich findet. Wir stellen ihn jetzt
wieder in seine natürliche Umgebung hinein, die notwendigerweise sprach-
lichen Zusammenhang und gedanklichen Sinn einschließt. Zwischen Reim
und Sinn bzw. Wortwahl läßt sich daher eine mehr oder minder innige
Beeinflussung vermuten; schon rein psychologisch!
Diese ist in der Tat nachweisbar und tritt — sofern hier ein Minimum
gedanklicher Stilisierung gestattet ist — in einer Doppelgestalt vor
uns hin: Entweder der Reim wirkt auf den Sinn (und die sinnvolle Wort-
wahl), oder der Sinn wirkt auf den Reim!... Wir müssen uns hier, aus
Raumgründen, freilich ganz besonders kurz fassen.
Der erste Fall: Der gewählte Reim beeinflußt den (ursprünglich
„in Aussicht genommenen") Sinn! — Es muß hier gleich bemerkt wer-
den, daß, wie schon oben angedeutet wurde, eine wahrhafte „gedankliche
Umprägung" zugunsten der Erhaltung des Reimes, bei einigermaßen vers-
und reimgewandten Personen wohl nur ganz selten stattfindet. Immerhin
können diese Extreme doch wohl den Rang von „Grenzwerten" beanspru-
chen, denen die psychische Wirklichkeit gewissermaßen „zustrebt". —
Eine eigentliche Wertung des so beschriebenen Vorganges ist hiemit noch
nicht beabsichtigt!
Dieser Beeinflussungen des Verssinnes und seiner Vorstellungswelt
vom gewählten Reimwort her (das es zu erhalten gilt!) gibt es eine ganze
Reihe: nachträglich beigebrachte Umschreibung; leichte Abbiegung; Kon-
kretes statt Abstraktes (oder umgekehrt!); Fallenlassen oder Hinzufügung
von Worten u. dergl. mehr.
In allen diesen Fällen zeigt sich natürlich die ganze Diktion mehr
oder minder stark beeinflußt: das Bestreben, ein bestimmtes Reimwort in
seiner Existenz zu erhalten, wirkt vielfach umgestaltend auf alles Vorher-
gehende ein.
Dem Reim, natürlich auch dem Vers zuliebe, wird etwa die Aus-
drucksweise ungewöhnlich kompliziert (um „auszufüllen"), oder einfacher,
ja überaus einfach: sie erstarrt zur Hieroglyphe, sie schrumpft zusammen