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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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Mutius, Gerhard von: Kunstgenuß
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0185
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KUNSTQENUSS

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unweigerlich an die Mitarbeit des Lesers. Das Auge wird aber meist als
ein nur aufnehmender Sinn verstanden, und wenn sich eine Aktivität und
Spontaneität an den optischen Eindruck knüpft, so bewegt sich dieselbe
meist über das eigentlich Künstlerische hinaus in einer Sphäre des Er-
kennens. Dem gegenüber soll hier einmal versucht werden, die besondere
Sphäre künstlerischen Erlebens gerade der bildenden Kunst gegenüber
zu bestimmen, die Öffentlichkeit ihrer Existenz, der Kunstwerke, einmal in
die Heimlichkeit ihrer Entstehungs- und Wirkungsmöglichkeiten zurück-
zuverwandeln und dadurch zu aktualisieren. Und dazu diene im Interesse
rascher Verständigung zunächst das Wort „Kunstgenuß".

Die Erzeugnisse der bildenden Kunst, die in naiveren und ästhetisch
weniger gefährdeten Zeiten draußen mitten im Leben standen — sie
dienten dem Gottesdienst oder fürstlicher und staatlicher Repräsentation,
oder lehnten sich an andere soziale Funktionen an — sie waren in dem
Sinne öffentlich — scheinen heutzutage in der ganzen Welt immer mehr
in jene Gräber zu wandern, die wir Museen nennen, und sich nur noch
an den Historiker, den Ästhetiker, den Kunstkenner zu wenden. Die
ersten Museen haben wohl Liebhaber und Sammler zusammengebracht.
In manchen Sammlungen, z. B. der Dresdner, glaubt man noch etwas
von einem auswählenden fürstlichen oder doch wenigstens dem Zeit-
geschmack ihrer Entstehung zu spüren — sie werden dadurch anspre-
chender, verdaulicher — mehr und mehr hat aber der Geist wissenschaft-
licher Vollständigkeit in dem Museumsbetrieb die Oberhand gewonnen,
und es könnte, so scheint mir, die Freude leicht darüber zu kurz kommen.
Der eigentliche Beruf der Kunst und mithin auch der Museen ist aber
„Kraft durch Freude" zu geben.

Heutzutage gruppiert sich um die Museen der großen und mancher
bevorzugten kleineren Städte ein internationaler Kunstbetrieb, dessen
wirtschaftlicher Ausdruck der ebenfalls sehr weit internationalisierte
Kunsthandel ist. Antiquarisches Interesse, Bildungssnobbismus, wissen-
schaftliche Forschungen verbinden sich mit diesem offiziellen Bereich
der Kunstinteressen zu einem Bedeutungszusammenhang, der es auch
dem gebildeten Museumsbesucher schwer macht, bis zu einem wirklich
persönlichen Verhältnis zu einzelnen Kunstwerken durchzudringen. Zu-
nächst tritt ihm die Kunstgeschichte anspruchsvoll gegenüber. Der Künst-
ler und sein Werk sind aus den besonderen geschichtlichen Bedingungen
ihrer Zeit zu verstehen. Das setzt in gewissem Umfang Kenntnisse, zum
mindesten aber eine Intuition voraus, die nur durch geschichtliche Bil-
dung erworben sein kann. Schon hier wird der Museumsbesucher oft
versagen. Darüber hinaus aber erscheint das Kunstwerk (und dieser
Gesichtspunkt wirkt sich in dem internationalen Kunsthandel in einer
ganz bestimmten Weise praktisch aus) in einen Zusammenhang ästhe-
 
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