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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 36.1942

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Hennig, Richard: Beiträge zur musikalischen Ästhetik, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.14218#0196
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186

R. HENNIG

Die Schriftleitung hat mich nun freundlichst aufgefordert, weiteres
Material zum Thema, von dessen Vorhandensein ich Mitteilung gemacht
hatte, zu einem zweiten Aufsatz auszuarbeiten. Ich folge dieser Aufforde-
rung gern und erörtere nachstehend einige Fragen, die mich bereits
seit 1895 beschäftigt und immer wieder und wieder gefesselt haben. Im
Gegensatz zum Inhalt des ersten Aufsatzes, zu dem ich großenteils eigne
Erfahrungen und Beobachtungen beisteuern konnte, vermag ich zu die-
sem neuen Thema, mindestens zu den wichtigsten ersten Kapiteln, nichts
aus dem persönlichen Erleben mitzuteilen, da ich selbst /von den zu be-
handelnden Erscheinungen nicht das Geringste, auch nicht in beschei-
densten Ansätzen, je verspürt habe1). Ich bin durchaus auf fremde Beob-
achtungen und Veröffentlichungen oder private Mitteilungen angewiesen.
Lediglich für das kurze vierte Kapitel vermag ich wieder eigne Wahr-
nehmungen zu liefern.

1. Das Farbenhören

Eine auffällig große Anzahl von Menschen neigt dazu, einzelne Buch-
staben, zumal Vokale, Töne, Klänge, doch auch Namen, Zahlen, Wochen-
tage, Monate und mancherlei andre derartige Abstraktionen, sogar Krank-
heiten, ethische Begriffe usw. (vgl. S. 189), mit ganz bestimmten Farben
in Zusammenhang zu bringen. Derartige Veranlagungen sind durchaus
normal und nicht im mindesten etwa krankhaft. Man hat hier und da ver-
sucht, sie als Anzeichen einer geistigen Störung anzusprechen, sie wohl
auch mit der Freud'schen Psychoanalyse in einen höchst willkürlichen
Zusammenhang zu bringen (v. Hug-Helmut, Pfister). Hiervon kann im
Ernst nicht die Rede sein. Das Farbenhören ist so harmlos wie möglich.
Ein gewisser Ansatz dazu ist sogar derart weit verbreitet, daß Ausdrücke
wie „helle und dunkle Klänge" oder „Klangfarbe" und „chromatische
Tonleiter" usw. allgemein verständlich und gebräuchlich sind.

J) Bereits in mehrfachen Aufsätzen über meine eigenartigen Zahlen- und
sonstigen Diagramme, die ein abnormes Datengedächtnis bedingen, und über die
ich schon seit 1896 in der „Zeitschrift für Psychologie" öfters Bericht erstattet
habe, ist von mir betont worden, daß mir alle Farbempfindungen (die uns nach-
stehend zumeist beschäftigen sollen) völlig fremd sind, daß dafür aber sämtliche
Diagramme bald in hellerer Sonnenbeleuchtung, bald im Lichte eines leicht bewölk-
ten Himmels, bald in tieferem Schatten durch Baumkronen oder nächtliche Dämme-
rung erscheinen. Auch meine Vorstellungen von den Tönen sind in gleicher Weise
(wie ich erst aus Anlaß dieser Arbeit bemerke) durch hellere oder dunklere Be-
leuchtung gekennzeichnet. Die Töne von C bis E, einschließlich der schwarzen
Tasten, scheinen heller, wenn auch ohne Sonnenschein, belichtet als die Töne von Fis
bis Ais, während die Töne H und F auf der Grenze von lichterer Beleuchtung und
tieferem Schatten stehen. Die Ursache der Empfindung kann allein darin gesucht
werden, daß zwischen C und E nur zwei, zwischen F und H dagegen drei schwarze
(schattengebende) Tasten des Klaviers stehen.

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