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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Geiger, Moritz: Phänomenologische Ästhetik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0048

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PHÄNOMENOLOGISCHE ÄSTHETIK. 41

weit durch das Ich geschieht. Ziehen wir etwa das Verhältnis von
Wort und Bedeutung als Beispiel heran. Blicken wir auf das Phäno-
men hin, so müssen wir sagen: Das Wort hat seine Bedeutung. Aber
es läßt sich auch auf das Phänomen in seiner Abhängigkeit vom Ich
reflektieren, darauf, daß ein Ich es ist, das dem Wort seine Bedeutung
verleiht, erst dies Ineinander schafft, das man das Verhältnis von
Wort und Bedeutung nennt. Man kann sich nun auch für die Akte
interessieren, in denen durch das Ich dies Verhältnis geschaffen wird,
— im angeführten Beispiel also für die bedeutungverleihenden Akte —
und sie nun weiter analysieren; und auch bei solcher Untersuchung
derjenigen Akte und Funktionen, in denen das Ich die ästhetische
Welt aufbaut, handelt es sich nicht um zufällige individuelle Tatsachen,
in unserem Beispiel nicht darum, daß zufällig der Mensch dieses
Wort mit dieser Bedeutung verbindet. Sondern die wesensmäßig
notwendigen Akte stehen in Frage, durch die das Wort überhaupt
zu Bedeutungen gelangt. Derartige Konstitutionsprobleme sind
es, die durch phänomenologische Wesensuntersuchungen entschieden
werden können, und die in das Gebiet der Ästhetik als philosophi-
scher Disziplin gehören.

Allein das erste und wesentliche Problemgebiet der phänomeno-
logischen Methode innerhalb der Ästhetik liegt in der Behandlung der
Ästhetik als Einzelwissenschaft. Ja, in dieser einzelwissenschaftlichen
Ästhetik liegt vielleicht das vornehmste Anwendungsgebiet der phäno-
menologischen Methode überhaupt. Sowie Realitätsfragen ins Spiel kom-
men, wie etwa in den Naturwissenschaften, oder Fragen schlußmäßig
beweisbarer Abhängigkeiten, wie in der Mathematik, treten andere
Methoden in den Vordergrund. Die ästhetische Wissenschaft ist eine
von den wenigen Disziplinen, die nicht die reale Wirklichkeit ihrer
Gegenstände erforschen will, sondern für die die phänomenale Be-
schaffenheit entscheidend ist. Wenn irgendwo, so wird gerade hier
die phänomenologische Methode zu zeigen haben, was sie zu leisten
vermag.

Nicht, was diese Methode in der Ästhetik geleistet hat, sondern
wie ihre Intentionen sind, und was sie glaubt leisten zu können —
das in Kürze zur Diskussion zu stellen, war die Absicht dieses Vor-
trags. Ich bin mir, indem ich immer nur von Methode und niemals
von Ergebnissen sprach, vorgekommen wie der Ausrufer vor den
Jahrmarktbuden, der den Vorübergehenden anpreist, was sie alles in
seiner Bude zu sehen bekommen würden, wenn sie sich nur ent-
schließen könnten einzutreten. Man kann glauben, daß man das wirk-
lich alles zu sehen bekommt, wenn man eintritt, man kann achsel-
zuckend vorbeigehen — nur dem, der eintritt, kann sich zeigen, ob
 
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