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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0202

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FILM UND KUNST. ] 95

des Films? Wir werden das am ehesten erkennen, wenn wir seine bis-
herige Entwicklung ansehen.

Das erste Stadium war: bloße Reproduktion. So wie man alles photo-
graphieren kann, kann man auch alles filmen. Eine rein technische An-
gelegenheit, Nullpunkt jedweder Schöpfung.

Zweites Stadium: der Vorgang, der gefilmt werden soll, wird ge-
stellt, reguliert durch eine Regie. Es lag sehr nahe, daß man zunächst
das gewohnte Theater spielte — in der Annahme: was auf der Bühne
gut wäre, muß auch ah; Film so gut sein — wie es bei Verlust des
Wortes eben sein kann.

Drittes Stadium: es wird noch Theater gespielt, aber immer mehr
unter Beobachtung der spezifisch optischen Momente. Es wird noch
Drama gespielt, aber es ist nicht mehr einfach das Drama der Sprech-
bühne. Heute ist man dabei, das optische Drama immer reiner für
reine Anschauung zu entwickeln.

Was bedeutet das?

Das Spiel vor dem Aufnahmeapparat, sagen wir kurz: die »Film-
bühne«, wird immer mehr und immer bewußter gestaltet von der Wir-
kung des laufenden Films aus. Das Verhältnis »Filmbühne« zur »Film-
projektion<: hat sich bereits gewandelt. Die Projektion gibt nicht mehr
gehorsam die Filmbühne wieder, wie sie ist, sondern beginnt die Struktur
der Filmbühne von sich aus zu organisieren, und ihr nächster Schritt
wird sein, daß sie auch den Aufnahmeapparat um- und neubildet —
nach ihren Erfordernissen. Hier sind, wenn man will, die ersten beschei-
denen Ansätze zu einem Stil des Films, die freilich fast immer noch
im äußerlichen Stilisieren stecken bleiben. Immerhin: es ist zu notieren,
daß z. B. im Nibelungenfilm kaum noch ein rein reproduktives Element
vorhanden war. Kein Baum war nach der Natur photographiert, wie
er zufällig aussieht. Jedes Stückchen Natur war künstlich auf die Bild-
wirkung der Projektion hin fabriziert worden. Hier spielen also künst-
lerische Elemente hinein, aber es sind die Elemente anderer Künste,
die hier sekundär erscheinen.

Man kann nicht bestreiten, daß der Film schon auf dieser Stufe in
einigen guten Exemplaren sich vom Bühnendrama viel weiter entfernt
hat, als man gemeinhin annimmt. Gerechterweise kann man einen Film
wie die »Ehe im Kreise^ von Lubitzsch nicht mehr als Schauspielersatz
bezeichnen. Mir scheint, daß gerade auf dieser Stufe der Film eine äußerst
willkommene analytische Arbeit verrichtet — oder uns anregt, sie zu
verrichten. Er beweist durch sein Beispiel, daß wir den Begriff »dra-
matische Kunst« neu und viel weiter und doch präziser fassen müssen
als bisher. Es ist nicht richtig, das Filmdrama, weil es des Wortes ent-
behrt, schlechthin als Theatersurrogat abzutun.
 
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