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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

DOI Artikel:
Herrmann, Helene: Lyrisches Schaffen und feste Formgebilde der Lyrik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0267

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260 HELENE HERRMANN.

"AoTsps; (iev ä[i!pi xäXav aY)Xdvvav
&>b äitoxpoittotot ipäevvov e;8o£,
oisnota itXtjd'Oisa (j.äX'.ota XafiTf)7
^äv [liti italafcv]

In dieser Behandlung der sapphischen Strophe ist völlige Ausge-
glichenheit zwischen Rhythmus und Satzbildung. Die Strophe ist
charakterisiert durch die dreifache gleichmäßige Wiederkehr eines Verses
von ruhig fallendem Gang, an gleicher Stelle leise beschleunigt durch den
Daktylus, von da wieder gleichförmig abklingend. Der vierte Halbvers
wiederholt in seinem Bau die fallende Bewegung der zweiten Vers-
hälfte. Das folgt sich wie sanftes Nacheinander leiser Brandungswellen,
und der adonische Vers, eine Teilbewegung wiederholend, läßt das
Ganze aushallen.

Dem ist nun in der oben zitierten Strophe ein Satzbau eingelagert,
der jeden Vers mit einer großen syntaktischen Einheit ruhig füllt, ge-
gliedert wohl, doch nie absetzend; in den adonischen Vers ist wieder
ein aushallendes Satzelement ergossen. Und nun das folgende:

«poivstat jxoi xyjvo? i30<; S-eoeoiv
Efijitv ulv-rjp, oau{ tvavttoi; tot
ICovtt xai nXaatov a8u (piuvst-
ca; üiroxoÜEt

xal YsXoioa{ tjupösv, to 8yj ffxav

xapotav sv orrjftssiv tittöasiv

u>i fäp slsFiiio ßpo^tcuj ae, <pä>va?

o&8sv et' ttxst.
äXXä xojt (üv fXthaaa Fivft, Xsittov 8'
auttxo xpü> itüp &ito8ESpö(jLox«v,
orcitdteast 8' oüoev opfjjj.', iit'.ppoji-

ßstat 8'oxooat.
ä 81 (i'T8pui{ xaxx«Etat, tpö[iO{ 81
itatuov äfpst, -/Xuipotipa. 81 itötaj
Ejijjit, tt8-växTjV 8'öXtYU) 'itiStü (tii)

<patvo[iat . . .
(äXXä itäv toXfiätov tit»t xtv •?) to.)

Hier ist in den ersten zwei Strophen zwar nicht das gleiche linde
Wellenschlagen wie in der oben zitierten Strophe, aber Satzbau, Vers-
maß, das Hinübergleiten der Sätze fließend; doch von der zweiten
Hälfte der zweiten Strophe ändert sich das, leise Stöße machen die
ruhig strömende Fläche erzittern — hier ist der tpdjio« in der Sprache —,
sie nehmen zu, kommen öfter, der Satzbau wird abgehackter, der Laut-
charakter führt zum Staccato, dann ist der Satzbau zusammenhangloses
Nebeneinander der Aussagen, als wäre unterirdisches Gewittern zu stark
schotternden Stößen geworden. Wenn nun sich das Gleiche wieder-
holt, bedeutet es ganz anderes als vorher, ja selbst der adonische
 
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