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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0378

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DER MUSIKLOSE TANZ. 371

Raumes. Bei dieser Bewegungsart kann es nicht darauf ankommen,
Gefühle bewegungsmäßig darzustellen, das wäre ein Rückfall in die
erste Art, sondern nur die der Bewegung immanenten Momente als
erlebte zur Auswirkung kommen zu lassen. Wir wollen diese Bewegungs-
art »Ausdrucks-« oder »Spannungsbewegung" nennen.

Mit welcher dieser drei Bewegungsarten arbeitet nun der Tänzer?
Es kann keine Frage sein, daß die erste Bewegungsart nicht in Frage
kommt. Abgesehen davon, daß hier der Körper wenig leistungsfähig
ist, sehen wir deutlich am Tanz von nichtkünstlerischen Tänzern, daß
hier die Bewegung entweder im Dienst der Funktionsfreude oder der
Erotik steht und damit von vornherein jede künstlerische Verwertung
der Bewegung unmöglich gemacht wird. Aber auch die »reine Be-
wegung« ist nicht das Material des Tänzers. Denn dann wäre es
besser, sich die Marionette anzusehen, als den lebendigen Menschen.
So werden wir also zu der Anschauung geführt, in der »Ausdrucks-
bewegung« das eigentliche Material der Tanzkunst zu sehen.

Nun setzt sich ein Tanz aus einzelnen Bewegungsmotiven und
deren Entwicklung zusammen, und das Motiv besteht aus mehreren
Bewegungen so, wie das musikalische Motiv aus mehreren Tönen.
Die einzelnen Bewegungen können in verschiedener Weise miteinander
verbunden werden. Die Bewegung, bei der nur eine einzige Bewegungs-
tendenz besteht, etwa das einfache Heben eines Armes oder Beines,
oder die einfache gerade Rumpfbeuge wollen wir Bewegungen erster
Ordnung oder Elementarbewegungen nennen. Es können aber auch
mehrere solcher Elementarbewegungen zu einer Bewegung höherer
Ordnung zusammentreten, z. B. gleichzeitiges Heben und Drehen des
Armes oder Rumpfbeuge mit Lendenspirale.

Es ist nun prinzipiell möglich, einen Tanz nur aus Elementar-
bewegungen aufzubauen oder nur aus Bewegungen zweiter Ordnung.
Für gewöhnlich aber werden beide Bewegungsordnungen miteinander
kombiniert und hierin offenbaren sich nun wesentliche tanzstilistische
Unterschiede, worauf hier nicht eingegangen werden kann.

Für die Gestaltung des Tanzes kommt aber noch weiter in Betracht,
wie die Bewegung rhythmisch gegliedert wird. Hier unterscheiden wir
den Spannungsrhythmus, den Körperrhythmus und den Zeitrhythmus.
Die gesetzmäßige Abfolge von Spannung und Lösung, die, wie wir
sahen, im Wesen der Ausdrucksbewegung liegt, schafft einen außer-
ordentlichen Reichtum von Ausdrucksformen sogar an ein und der-
selben Körperbewegung. Der Körperrhythmus ist die zeitlich gegliederte
Entfaltung des Körpers nach den drei Dimensionen. Hier ist es
wichtig, ob die beiden Körperhälften gleichzeitig und gleichsinnig sich
bewegen, oder ob sie in einem Verhältnis zeitlicher Folge oder der
 
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