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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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Mersmann, Hans: Zur Phänomenologie der Musik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0380

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ZUR PHÄNOMENOLOGIE DER MUSIK. 373

kleineren Ausschnitt, nämlich der Formenästhetik, etwas genauer formu-
lieren. Es handelt sich mir also darum, dreierlei zu zeigen: den Stand-
punkt, das Objekt und die Anwendung einer phänomenologischen
Musikästhetik.

I.

Von diesen drei Aufgaben erscheint mir die erste als die schwie-
rigste. Der Standpunkt als Problemstellung ist in dem Schrifttum
über Musik verhältnismäßig neu; lange Zeit war er eine (oft unklare)
Voraussetzung. Nur bei Behandlung ästhetischer Fragen hatte der
Standpunkt von jeher eine bedeutende Rolle gespielt. Hier befehdeten
entgegengesetzte Meinungen einander mit Heftigkeit, und oft war unter
dem Gegensatz des Prinzips das Objekt der Untersuchung: das Kunst-
werk den Händen der Betrachtenden entglitten. Die Gegensätze der
Meinungen bestehen auch heute unvermindert fort. Als Paul Moos
auf dem ersten Kongreß für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft
vor elf Jahren den gegenwärtigen Stand der Musikästhetik zu fixieren
suchte, kam er auf sieben »Systeme«, welche stark voneinander diver-
gierten oder einander sogar widersprachen. Wenn man die Literatur
der dazwischenliegenden Zeit überblickt, so erscheint die Fragestel-
lung einfacher. Durch alles, was Grundsätzliches über Musik und
Musikästhetik ausgesprochen wurde, schimmert der große Dualismus
hindurch, welcher etwa mit dem Gegensatz einer psychologischen
und einer phänomenologischen Einstellung bezeichnet werden
kann.

Dieser Dualismus muß als vorhanden hingenommen werden. Er
scheint mir eine Perspektive, unter welcher die Entwicklung der gegen-
wärtigen Musikästhetik gesehen werden kann. Er ist nicht Gegensatz
der Methode sondern der Weltanschauung und als solcher Exponent
einer größeren Entwicklung. Diese befindet sich für die Musikästhetik
an einer Stelle, welche im Verhältnis zur allgemeinen Ästhetik weiter
rückwärts zu liegen scheint. Wie die Geschichte, so folgt auch die
Ästhetik der Musik der der anderen Künste in einigem Abstand. Die
Psychologische Musikästhetik ist als Methode noch nicht einmal aus-
gebaut oder vollendet, geschweige denn überwunden. Sie hat gerade
erst in den letzten zehn Jahren durch die von Hugo Riemann formu-
lierte »Lehre von den Tonvorstellungenc eine neue, bedeutsame Prä-
gung erhalten, welche geeignet ist, die von der allgemeinen Ästhetik
übernommene Einfühlungstheorie in einer spezifisch musikalischen
Form weiterzubilden. So mußten die vereinzelten Ansätze einer phäno-
menologischen Musikästhetik in ihrer Auswirkung zersplittern.

Es handelt sich bei ihr letzten Endes nur um ihr Verhältnis zu
psychologischen Betrachtungsformen. Die Niederschläge materialisti-
 
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