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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft: Zweiter Kongreß für Ästhethik und allgemeine Kunstwissenschaft Berlin, 16.-18. Oktober 1924 — 19.1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.3819#0396

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ZUR PHÄNOMENOLOGIE DER MUSIK. 389

schaftlichen Bemühungen um seine Erfassung «entweder in seiner Nähe
bleiben oder aber weit abirren, so weit, daß die Fehlrichtung offenbar
ist. Die gefährlichen, dicht am Gegenstande vorbeiführenden Neben-
wege, wie sie die Kunstwissenschaft etwa bei der Untersuchung der
wiedergegebenen Wirklichkeit oder die Literaturgeschichte bei der Be-
handlung der philosophischen Inhalte leicht mißleiten können, kennen
wir nicht. Selbst ein so offensichtlicher »Psychologismus«, wie der von
H. Riemann seinem theoretischen System nachträglich gegebene Unter-
bau — Mersmann weist mit Recht darauf hin —, kann nur als iso-
lierte, nicht als symptomatische Erscheinung gelten. Der eigentliche
Kern des Systems, der Umkreis der grundlegenden und wirklich tra-
genden Beobachtungen, ist ja so wenig psychologistisch, daß Mers-
mann sich eng an ihn anschließen konnte. Nicht die Hinfälligkeit des
Unterbaues, sondern die Abhängigkeit von einem historisch eng be-
grenzten Musikideal schränkt die Verwendbarkeit der Riemannschen
theoretischen Grundbegriffe aufs äußerste ein.

Heute allerdings wird der Theoretiker, der die Eigenberechtigung
der Erkenntnis in der phänomenologischen Sphäre eingesehen hat, sich
nicht mehr für verpflichtet halten, seine Begriffe im Akustischen oder
Psychologischen zu »begründen«. Es erscheint mir daher als der Haupt-
gewinn, den die Musikwissenschaft aus der Arbeit um das Phäno-
menologieproblem davongetragen hat, daß uns ein längst geübtes Ver-
fahren nunmehr in seinem Wesen durchleuchtet, in seinen Konsequenzen
durchdacht und auf seine Leistungsfähigkeit und Grenzen geprüft wieder
zurückgegeben wurde. Daß uns darüber hinaus noch manch neue Pro-
blematik zugeführt wurde, hat H. Pleßner hier überzeugend dargetan.

2. Für Mersmann waren weder die allgemeine Klärung noch die be-
sonderen Anregungen entscheidend. Mit seinem Streben, »das Kunst-
werk losgelöst von allen Ichbeziehungen als Erscheinung zu unter-
suchen«, setzt er in einwandfreier Weise und zu allgemeinem Nutzen
die gute Tradition der Fachwissenschaft fort. Nicht so sehr sein Stand-
punkt, sondern die mannigfachen wertvollen Neuformulierungen, die
ihm bereits gelungen sind, und andere, die sich noch erst anzukündigen
scheinen, wollen gewürdigt sein. Nach H. Wetzel, der nach einer ein-
heitlichen Grundhaltung dieses Systems fragte, möchte ich jedoch noch
einen Zweifel an seiner überhistorischen Gültigkeit aussprechen.

3. Der seltene Fall, daß ein von der allgemeinen Ästhetik her-
kommender Weg ohne Unterbrechung bis in die letzten kunstwissen-
schaftlichen Ergebnisse begangen werden kann, scheint mir durch
Pleßners Ausführungen zur »Ästhesiologie der Musik« gegeben. Sein
'n phänomenologischem Verfahren gefundener evidenter Satz, den musi-
kalischen Tönen seien Symbol, Richtung und Sinn für den Fortgang
 
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