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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Denier, Anton: Der Schild von Seedorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0026

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29

1897.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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statten. Ferner wurden die Marburger Schilde
immer als Kampfschilde angesehen auch aus
dem Grunde, weil überall Vorrichtungen zur
Befestigung des Riemenwerkes vorhanden sind.
Bei den späteren Todtenschilden fehlen diese.
Wie oft werden hingegen Schildfessel und Riemen
in den Rittergedichten erwähnt. Sine schilt-
riemen j swaz der dar zuo gehörte / was ein
unverblichen borte j mit gesleine harte tiure.
(Parcival 37, 2.) Der meide schildevezzel / ein
edel borte was j dar uf lagen steine j grüene als
am ein gras. Ferner heifst es im Nibelungen-
lied, dafs Hagen das Schiff mit einer Schill-
vczzel, das war ein borte smal angebunden
habe. Unser Schild hat all diese Vorrichtungen
für Schildfessel und Schildriemen, ein Grund
mehr, um ihn unter die Kampfschilde einzureihen.
Schon im klassischen Alterthum wurde der
Schild hochgehalten; nicht minder in Ehren
stand er beim christlichen Mittelalter. Den
Schild verloren, die Ehre verloren. Der Schild
galt als der vorzüglichste und ehrenvollste
Attribut des Ritterthums. Wie oft wird in alten
Gedichten die Ehre und der Ruhm des Schildes
besungen. Und auf den ältesten Abbildungen
freier und edler Männer steht fast immer der
Schild an ihrer Seite. Dem letzten Ritter seines
Geschlechtes wurden Schild und Helm mit ins
Grab gegeben. Dem verbrecherischen Ritter
wurde sein Schild zerbrochen. Sogar die ge-
krönten Häupter hatten ihren Schild und Schild-
träger seit frühesten Zeiten. Schon auf dem
grofsen Mosaikbilde in der Kirche S. Vitale
zu Ravenna, wo Kaiser Justinian (f 565) mit
seinem Hofe dargestellt ist, erblicken wir ganz
im Vordergrunde dessen Schildträger mit dem
Schilde, worauf das christliche Monogramm
prangt. In der Kirche S. Calisto zu Rom ist
eine alte Bibelhandschrift; auf dem Titelblatte
ist Karl der Kahle (f 877) dargestellt. Auch
hier stehen Schwert- und Schildträger dem
Throne zunächst. Wie Karl der Grofse be-
graben wurde, hing man seinen Schild vor ihm
an die Mauer, bevor man die Gruft zuschlofs
und versiegelte, so erzählt uns Saint-Foix. Die
Form der ältesten Schilde ist rund oder oval,
so erscheinen sie in der Merovinger und Karo-
linger Epoche. Zur Zeit der salischen Kaiser
wurden die Schilde sehr lang und endigten
nach unten in eine Spitze. Zudem waren sie
stark gebogen, dafs damit der Körper halb um-
schlossen wurde. Der Schild des Reiters, an-

fänglich lang und unten zugespitzt, deckte an-
fangs die ganze linke Seite des Reiters (Hieb-
seite) bis zu den noch sehr wenig geschützten
Beinen herab. Je mehr die Beine durch andere
Mittel geschützt wurden, desto überflüfsiger
wurde der Schild und darum wird er immer
kürzer bis zum petit-e"cu, wo er ausschliefslich
nur die linke Brustseite deckt. Bisan ist der
Schild noch reine Schutzwaffe, ohne heral-
dischen Schmuck. Erst mit dem XL und
XII. Jahrh. treten die ersten Spuren von eigent-
lich heraldischer Bemalung auf. Jetzt wechselt
auch die Form. Die Zeit der Kreuzzüge
zeigt uns den sogenannten normannischen Schild
— Dreieckform mit geringer Wölbung, oben
rund, unten spitz oder ganz schmal auslaufend —•
und den Schild in reiner Dreieckform, zuweilen
mit oben quer abgeschnittenen oder abgerunde-
ten Ecken. Die Statue Oliviers im Dome zu
Verona (XL oder XII. Jahrh.) weist uns ein
solches Beispiel; auch ein pergamentenes Gebet-
buch in der Universitätsbibliothek zu Leipzig
(XII. Jahrh.) bietet einen höchst interessanten
Schild. Gar schöne Exemplare erscheinen auch
in französischen Miniaturen des XL Jahrh. Im
Münchener Nationalmuseum soll ein hausteiner-
nes Basrelief aus dem Kloster Steingaden mit
dem weifischen Löwen sein, welcher in der
Zeichnung dem auf dem Seedorfer Schilde fast
vollständig gleiche. Die Entstehung desselben
wird um das Jahr 1180 angenommen. So be-
richtet Warnecke und bemerkt dabei, der
Seedorfer Schild dürfte noch ins Ende des
XII. Jahrh. zu verweisen sein. (Warnecke »Die
mittelalterlichen heraldischen Kampfschilde in
der St. Elisabethkirche in Marburg.) Dem See-
dorfer Schild steht dann zeitlich am nächsten
der Schild des hessischen Landgrafen Konrad
von Thüringen (f 1241) in der St. Elisabeth-
kirche in Marburg. Hefner von Alteneck
(»Trachtenwerk« I. Abth., 80, Text 100) und
Warnecke haben ihn genau beschrieben und
abgebildet. Doch trotz des kaum ein halbes
Jahrhundert betragenden Altersunterschiedes ist
hier die Behandlung des Löwen eine ganz
andere wie auf dem Seedorfer, wo er viel
strenger und charakteristischer aufgefafst ist.

Die Schweiz birgt noch einen zweiten höchst
interessanten Dreieckschild; doch gehört er erst
dem XIV. Jahrh. an. Er befindet sich in der
Kirche Valeria zu Sitten im Wallis. Er ist
0,80 m hoch, 0,75 m breit und etwas gewölbt.
 
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