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Zeitschrift für christliche Kunst — 10.1897

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Rieffel, Franz: Grünewald-Studien, [5]
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Effmann, Wilhelm: Gothisches Meßpult zu Kempen am Rhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.3832#0119

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171

1897. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

172

wohl von Wächtlin, wie dieser ganze Altar von
Wächtlin (und Baidung?) gemalt zu sein scheint.
Statt Wächtlin hatte ich in dem angezogenen
Aufsatz irriger Weise Schäuffelein genannt.

Nur von einem eigentlichen Schüler Grüne-
walds, Hans Grimmer von Mainz, weifs Sandrart
zu erzählen. Doch möchte ich annehmen, dafs
Grünewald aufser auf Hans Baidung, der viel-
leicht schon sein Mitschüler bei dem Meister
der Bergmann'schen Offizin war, auf seine
Altersgenossen Schäuffelein und Kulmbach, wie
auch auf den jüngeren Barthel Beham nicht
ohne Einflufs gewesen ist. Schäuffeleins Christus
am Kreuz von 1508 (Phot. Hoefle, Augsburg)
im Germanischen Museum (Nr. 220) sowie einige
Holzschnitte der frühen Zeit haben mannig-
fache stilistische Anklänge an Grünewald, eine
Entlehnung Schäuffeleins von Grünewald oder
seinem Meister für einen 1507 gedruckten Holz-
schnitt habe ich oben namhaft gemacht. Kulm-
bach hat den Holzschnitt der Marter der Zehn-

tausend für den in Karlsruhe befindlichen Altar
verwerthet; wie mir scheint, knüpft er auch
sonst, besonders in dem Cyklus aus dem Leben
der Apostel Petrus und Paulus (Uffizien; dort
als Schäuffelein; Phot. Anderson, Rom) an die
drastische Erzählungsweise Grünewalds an. Den
schielenden Blick seiner Gestalten hat er viel-
leicht auch von Grünewald herübergenommen.
Auch Barthel Behams obengenannte Jugend-
werke in Wien (Nr. 973 und 1426) nähern sich
in vielem dem Stile Grünewalds und wurden
oder werden von Manchen noch jetzt diesem
zugeschrieben. Der kuriose Jörg Ratgeb von
Schwäbisch Gemünd ist wohl nur mittelbar (durch
Baidung) von Grünewald beeinflufst worden.

Aufserhalb Nürnbergs ist namentlich noch
Lukas Kranach eine Zeit lang unter Grünewalds
Bann gerathen. Aber vielleicht haben auch
Altorfer und andere Maler der Donaugegend
seinen unmittelbaren Einflufs erfahren.

Wehen. Franz Rieffei.

Gothisches Mefspult zu Kempen am Rhein.

Mit 5 Abbildungen.

[ie Mefspulte zählen
unter den verschie-
denen Gattungen
des alten kirch-
lichen Mobiliars,
von denen Beispiele
überkommen sind, zu den seltensten.
Der Grund für diese Erscheinung liegt
nahe genug. Einmal, sei es nun wegen
Unhandlichkeit, wegen Verschleifses oder aus
sonstigem Anlafs aufser Gebrauch gesetzt, werden
diese kleinen Stücke in den Rumpelkammern
rasch verkommen sein, wenn sie nicht als Brenn-
material einen noch schnelleren Untergang
fanden. Künstlerisch ausgestattete Exemplare
von Mefspulten werden freilich auch nicht allzu
häufig gewesen sein, der Schmuck derselben
wird vielmehr meist in reich ausgestatteten
Decken bestanden haben. Nicht aufser Acht
zu lassen ist dann aber auch der Umstand,
dafs Mefspulte erst verhältnifsmäfsig spät zur
Anwendung gekommen sind. Im frühen Mittel-
alter wurde das Mefsbuch unmittelbar auf den
Altar gelegt. Noch auf den Synoden von

Münster (1279), von Lüttich (1287) und von
Cambray (1300) wurde bestimmt, dafs das Mis-
sale in ein leinenes Tuch eingehüllt auf den
Altar zu legen sei.1) Dafs diese Sitte aber damals
nicht mehr allgemein war, geht aus dem gegen
Ende des X11I. Jahrhunderts verfafsten »Rationale
Divinorum« hervor, in dem Durandus angiebt,
dafs das Missale auf einem Kissen ruhe und
zwar auf einem weichen Kissen, um, so fügt er
in seiner symbolisirenden Weise hinzu, damit an-
zudeuten, dafs die Vorschriften des Evangeliums
mit einem ergebenen, weichen und empfind-
lichen Herzen aufgenommen werden sollen.2)

J) AndreasSchmid »Der christliche Altar und
sein Schmuck«, Regensburg 1871, S. 233, 302. Thal-
hofer »Handbuch der katholischen Liturgik« I. Bd.
(Freiburg i. Br.) S. 787. In sehr instruktiver Weise
behandelt den Gegenstand Schnütgen „Ein silbernes
Mefspult des XIII. Jahrh.", »Bonner Jahrbücher«
Heft LXXXIV (1887), S. 127.

2) Durandus »Rationale Divinorum«, 1. IV. c. XI.
N. 9. Ueber die Altarkissen vergl. namentlich Bock
»Geschichte der liturgischen Gewänder des Mittel-
alters« 3. Bd. (Bonn 1871), S. 34. Wie lange diese
Altarkissen sich noch behauptet haben, als die Mefs-
 
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